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Das Flammende Kreuz

Titel: Das Flammende Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Kreuz.
    »Manchmal«, flüsterte er schließlich, »manchmal träume ich, dass ich singe, und wenn ich dann aufwache, schmerzt mein Hals.«
    Er konnte ihr Gesicht und die Tränen, die in ihren Augenwinkeln aufstiegen, nicht sehen.
    »Was singst du denn?«, erwiderte sie. Sie hörte das Kissen rascheln, als er den Kopf schüttelte.
    »Kein Lied, das ich je gehört hätte oder das ich kennen würde«, sagte er leise. »Aber ich weiß, dass ich es für dich singe.«

106
    Das Logbuch des Chirurgen II
    27. Juli 1772
    Wurde vom Buttern fortgerufen, um nach Rosamund Lindsay zu sehen, die am späten Nachmittag mit einer tiefen Schnittwunde in der linken Hand eintraf, die sie sich beim Ringeln eines Baumes zugezogen hatte. Die Wunde war tief; der linke Daumen war fast abgetrennt und der Schnitt reichte von der Zeigefingerwurzel bis zu einer Stelle fünf Zentimeter oberhalb des Griffelfortsatzes der Speiche, der oberflächlich beschädigt wurde. Die Patientin hatte sich die Verletzung etwa drei Tage zuvor zugezogen und sie grob verbunden und Schweineschmalz aufgetragen. Schwere Sepsis unübersehbar, Eiterbildung, heftige Schwellung von Hand und Unterarm; charakteristischer, durchdringender Geruch. Rote Streifen im Gewebe deuten auf Blutvergiftung hin und erstrecken sich von der Verletzung fast bis zum Antecubitus.
    Patientin mit hohem Fieber vorgestellt (40 Grad C, manuell geschätzt), Austrocknungssymptome, leichte Desorientierung. Deutliche Tachykardie.
    Da die Lage der Patientin ausgesprochen ernst war, empfahl ich die sofortige Amputation des Gliedes am Ellbogen. Die Patientin weigerte sich, dies in Betracht zu ziehen und bestand stattdessen auf Anwendung eines Taubenumschlages, bestehend aus dem halbierten Körper einer frisch geschlachteten Taube, der auf die Wunde aufgelegt werden sollte (der Ehemann der Patientin hatte eine Taube mitgebracht der er gerade den Hals umgedreht hatte). Nahm den Daumen an der Wurzel des Mittelhandknochens ab, band die Überreste der Speichenarterie (die bei dem Unfall zerquetscht worden war) und der superficialis volae ab. Debridement und Drainage der Wunde, oberflächliches Auftragen etwa einer viertel Unze rohen Penizillinpulvers (Herkunft: verrottete Wintermelonenrinde, Partie Nr. 23, zubereit. 15/4/72), gefolgt von zerstampftem, rohem Knoblauch (drei Zehen), Berberitzensalbe - und dem Taubenumschlag, au Beharren des Ehemannes, jedoch über dem Verband. Flößte der Patientin Flüssigkeit ein; fiebersenkende Mischung aus rotem Tausendgüldenkraut, Blutwurz und Hopfen; Wasser nach Belieben. Injizierte flüssige Penizillinlösung (Partie Nr. 23), IV, Dosierung: eine viertel Unze, gelöst in sterilem Wasser.
    Rapide Verschlimmerung des Zustands der Patientin mit zunehmenden Symptomen der Desorientierung und des Deliriums, hohes Fieber. Auf Armen und Oberkörper zeigte sich heftiger Nesselausschlag. Versuchte, das Fieber mit wiederholten Kaltwasseranwendungen zu senken, ohne Erfolg. Da die Patientin inkohärent war, den Ehemann um Erlaubnis zur Amputation
gebeten; diese wurde verweigert, da der Tod unmittelbar bevorzustehen schien und die Patientin »in einem Stück beerdigt zu werden wünschte«.
    Wiederholte die Penizillininjektion. Die Patientin verlor kurz darauf das Bewusstsein und verstarb kurz vor dem Morgengrauen.
     
    Ich tauchte meinen Gänsekiel frisch ein, zögerte dann aber und ließ die Tinte von seiner geschärften Spitze abtropfen. Wie viel mehr sollte ich sagen?
    Meine tief gehende Veranlagung zu wissenschaftlicher Gründlichkeit rang mit meiner Vorsicht. Es war wichtig zu beschreiben, was geschehen war, und zwar so vollständig wie möglich. Gleichzeitig zögerte ich jedoch, schriftlich niederzulegen, was möglicherweise dem Eingeständnis eines Totschlagsdeliktes gleichkam - es war kein Mord, so sagte ich mir, obwohl meine Schuldgefühle da keinen Unterschied sahen.
    »Gefühle sind nicht die Wahrheit«, murmelte ich. Auf der anderen Seite des Zimmers blickte Brianna von dem Brot auf, das sie gerade in Scheiben schnitt, doch ich beugte meinen Kopf über das Buch, und sie nahm ihre flüsternde Unterhaltung mit Marsali wieder auf. Es war noch früh am Nachmittag, aber draußen war es dunkel und regnerisch. Ich hatte mir zum Schreiben eine Kerze angezündet, doch die Hände der Mädchen huschten im Zwielicht über den Tisch wie Motten, die hier und dort zwischen den Tellern und Platten landeten.
    Die Wahrheit war, dass ich nicht glaubte, dass Rosamund Lindsay an einer

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