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Das Flammende Kreuz

Titel: Das Flammende Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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einer Miene offen, die schieres Erstaunen auszudrücken schien. Jamie stand dahinter, von der Stirn bis zum Knie mit blutgetränktem Schmutz verschmiert, und sein Gesicht trug eine ähnliche Miene.
    Dann gaben die Vorderbeine des Ebers nach, und er ging in die Knie. Er schwankte, seine Augen wurden glasig, und dann brach er seitlich zusammen. Der Schaft eines Pfeils ragte aus ihm auf. Im Vergleich zur Masse des Tiers sah er zerbrechlich und belanglos aus.
    Jemmy wand sich lautstark unter ihm. Er setzte sich langsam hin und nahm den Kleinen in seine Arme. Er registrierte geistesabwesend, dass seine Hände zitterten, doch er fühlte sich seltsam leer. Die aufgeschürfte Haut seiner Handflächen schmerzte, und sein Knie pulsierte. Während er Jemmy
mechanisch den Rücken tätschelte, wandte er den Kopf zum Wald und sah den Indianer, der am Rand der Bäume stand, den Bogen in der Hand.
    Ihm kam dumpf der Gedanke, sich nach dem Wolf umzusehen. Dieser schnüffelte dicht neben Jamie am Kadaver des Schweins herum, doch sein Schwiegervater beachtete ihn gar nicht. Auch er starrte den Indianer an.
    »Ian«, sagte er leise, und unter den Spuren von Schmutz, Gras und Blut breitete sich ein Ausdruck ungläubiger Freude aus. »Oh, Himmel, es ist Ian.«

109
    Die Stimme der Zeit
    Da Lizzie keine Mutter hatte, die sich um eine angemessene Aussteuer für sie kümmern konnte, hatten sich die Frauen von Fraser’s Ridge zusammengetan, um für Dinge wie Unterröcke, Nachthemden und Strickstrümpfe zu sorgen, während einige der talentierteren Damen Quiltstücke nähten. Wenn eine Quiltvorlage fertig war, fanden sich alle im Herrenhaus ein, um die eigentliche Decke zu fertigen, indem sie Quiltdecke und Rückseite mühselig zusammennähten und verfügbares Füllmaterial aller Art - abgenutzte Decken, zusammengeflickte Lumpen oder Restwolle - als Wärmepolster zwischen Ober- und Unterseite befestigten.
    Ich verfügte eigentlich weder über großes Talent noch große Geduld zum Nähen, besaß jedoch das nötige, manuelle Geschick für kleine, feine Stiche. Wichtiger noch, mir standen eine große Küche mit gutem Licht und genügend Platz für einen Quiltrahmen zur Verfügung, dazu die Dienste der guten Mrs. Bug, die dafür sorgte, dass sämtliche Quilterinnen stets mit Tee und einer endlosen Folge von Apfelteilchen versorgt waren.
    Wir waren gerade dabei, ein Blockmuster in Creme- und Blautönen zusammenzufügen, das Mrs. Evan Lindsay vorbereitet hatte, als Jamie plötzlich in der Tür zum Flur auftauchte. Da die meisten der Frauen gerade in eine fesselnde Unterhaltung über das Schnarchen von Ehemännern im Allgemeinen und der ihren im Besonderen vertieft waren, bemerkten sie ihn nicht, doch ich saß der Tür zugewandt. Er schien uns weder unterbrechen noch Aufmerksamkeit erregen zu wollen, denn er kam nicht ins Zimmer - doch als er meinen Blick auf sich gelenkt hatte, ruckte er drängend mit dem Kopf und verschwand in Richtung seines Studierzimmers.
    Ich warf Brianna, die neben mir saß, einen Blick zu. Sie hatte ihn gesehen; sie zog eine Augenbraue hoch und zuckte mit den Schultern. Ich verstaute das verknotete Ende meines Fadens zwischen den Materialschichten, so dass
es nicht zu sehen war, steckte meine Nadel in die Oberseite des Quilts und erhob mich mit einer gemurmelten Entschuldigung.
    »Gebt ihm Bier zum Abendessen«, riet Mrs. Chisholm gerade Mrs. Aberfeldy. »Reichlich und mit viel Wasser. Dann muss er jede halbe Stunde pissen und kommt gar nicht erst dazu, mit der Lärmerei anzufangen.«
    »Oh, aye«, wandte Mrs. Aberfeldy ein. »Das habe ich schon versucht. Aber wenn er dann wieder ins Bett kommt, will er... mmpfm.« Sämtliche Damen fingen an zu kichern, und sie lief feuerrot an. »Da komme ich noch weniger zum Schlafen, als wenn er schnarcht!«
    Jamie wartete im Flur. Sobald ich erschien, packte er mich am Arm und schob mich zur Haustür hinaus.
    »Was -«, setzte ich verwirrt an. Dann sah ich den hochgewachsenen Indianer, der auf der Kante der Eingangstreppe saß.
    »Was -«, sagte ich erneut, und dann stand er auf, wandte sich um und lächelte mich an.
    »Ian!«, kreischte ich und warf mich in seine Arme.
    Er war dünn und hart wie ein Stück sonnengegerbtes Leder, und seine Kleider rochen nach feuchtem Holz und Erde mit einem schwachen Echo der Rauch- und Körpergerüche eines Langhauses. Ich trat zurück und wischte mir über die Augen, um ihn mir anzusehen, und eine kalte Nase stieß gegen meine Hand, so dass ich erneut

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