Das Flammende Kreuz
gebogenen Hauer waren so lang wie Jemmys Unterarm. Es stand erhobenen Kopfes da, und seine feuchte Schweineschnauze bewegte sich, als es nach etwas Essbarem oder einer Bedrohung witterte.
»Mist«, sagte Roger unwillkürlich.
Jemmy, der sich normalerweise auf jedes unachtsam geäußerte Schimpfwort gestürzt und es triumphierend herumposaunt hätte, klammerte sich jetzt nur fester an das Bein seines Vaters.
Die Gedanken rasten Roger durch den Kopf wie kollidierende Lastwagen. Würde es angreifen, wenn er sich bewegte? Er musste sich bewegen; seine Armmuskeln zitterten vor Anstrengung. Er hatte Jemmy mit Wasser abgewaschen; haftete dem Jungen immer noch der Geruch - oder das Aussehen - eines Artikels auf der Speisekarte des Schweins an?
Er zog einen zusammenhängenden Gedanken aus den Wrackteilen in seinem Kopf.
»Jemmy«, sagte er ganz ruhig. »Stell dich hinter mich. Und zwar sofort«, fügte er mit Nachdruck hinzu, als das Wildschwein den Kopf in ihre Richtung wandte.
Es sah sie; er konnte sehen, wie sich die kleinen, dunklen Augen auf ihn hefteten. Es trat ein paar Schritte vor, seine Hufe so klein und zierlich unter dem bedrohlichen Rumpf, dass sie geradezu absurd aussahen.
»Siehst du Opa, Jem?«, fragte er nach wie vor ruhig. Seine Arme waren von Flammen durchzogen, und seine Ellbogen fühlten sich an, als steckten sie in einem Schraubstock.
»Nein«, flüsterte Jemmy. Roger konnte spüren, wie sich der Kleine dicht hinter ihn drängte und sich an seine Beine presste.
»Dann sieh dich um. Er ist zum Bach gegangen; er muss aus dieser Richtung zurückkommen. Dreh dich um und schau nach.«
Der Eber war vorsichtig, aber nicht ängstlich. Das hatten sie nun davon, dass sie nicht oft genug Jagd auf diese Biester machten, dachte er. Sie sollten jede Woche ein paar davon im Wald zerlegen, als Lektion für den Rest.
»O-pa!« Jemmys Stimme erklang hinter ihm, schrill vor Angst.
Bei diesem Geräusch sträubten sich plötzlich auf dem ganzen Rücken des Schweins die groben Borsten, und es senkte den Kopf und spannte seine Muskeln an.
»Lauf, Jemmy!«, rief Roger. »Lauf zu Opa!« Ein Adrenalinstoß durchfuhr ihn, und plötzlich wog der Stein nichts mehr. Er schleuderte ihn auf das angreifende Schwein und erwischte es an der Schulter. Es gab ein überraschtes Whuff! von sich, knickte ein, dann öffnete es brüllend das Maul und stürzte mit blitzenden Hauern auf ihn zu.
Er konnte sich nicht zur Seite ducken und es vorbeilassen; Jemmy war immer noch dicht hinter ihm. Er trat mit aller Kraft vor den Kiefer des Schweins und stürzte sich dann auf das Tier, das er am Hals zu packen versuchte.
Seine Finger rutschten ab, denn sie fanden keinen Halt in dem drahtigen Haar und glitten an den harten, festen Speckrollen ab. Himmel, das war ja wie ein Ringkampf mit einem beweglichen Zementsack! Es spürte etwas Warmes und Feuchtes an seiner Hand und riss sie zurück; hatte es ihn erwischt? Er hatte keine Schmerzen. Vielleicht nur Speichel aus dem mahlenden Maul - vielleicht Blut aus einer Wunde, die zu tief war, um sie zu spüren. Keine Zeit zum Nachsehen. Er stieß erneut mit der Hand zu, hieb blind um sich, bekam ein borstiges Bein zwischen die Finger und riss fest daran.
Das Schwein fiel mit einem überraschten Quieken auf die Seite und schleuderte ihn von seinem Rücken. Er landete mit den Händen und einem Knie auf dem Boden und stieß sich das Knie an einem Stein. Schmerz durchfuhr ihn vom Knöchel bis zur Leiste, und er rollte sich unwillkürlich zusammen, im ersten Moment gelähmt vor Schrecken.
Der Eber war wieder auf den Beinen und schüttelte sich grunzend und mit klappernden Borsten, doch er stand von Roger abgewandt. Aus seinem Fell stieg Staub auf, und Roger konnte den Korkenzieherschwanz sehen, der eng am Hintern des Tiers zusammengerollt war. Noch eine Sekunde, und das Schwein würde sich umdrehen, ihn vom Bauch bis zur Kehle aufschlitzen und auf seinen Überresten herumtrampeln. Er fasste nach einem Stein, doch der zerplatzte ihm in der Hand, nichts weiter als ein Klumpen Erde.
Zu seiner Linken erscholl das Keuchen und Trampeln eines rennenden Mannes, und er hörte einen atemlosen Ruf.
»Tulach Ard! Tulach Ard!«
Der Eber hörte Jamies Ruf und fuhr schnaubend herum, um sich diesem neuen Feind entgegenzustellen. Sein Maul klaffte offen, und seine Augen waren rot vor Wut.
Jamie hatte seinen Dolch in der Hand; Roger sah das Metall aufglänzen, als Jamie sich bückte und weit ausholte, um auf den
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