Das Foucaultsche Pendel
bekannt werden sollten, allen voran sein teuflischer Nachfolger Rašîd ad-Dîn Sinân.
Hasan hatte eine Technik zur Beherrschung sowohl der Seinen wie seiner Widersacher erfunden. Den Feinden kündigte er an, daß er sie töten werde, wenn sie seinen Wünschen nicht entsprächen. Und vor den Assassinen gab es kein Entkommen. Nizâm al-Mulk, Wesir des Sultans zu der Zeit, als die Kreuzfahrer sich noch bemühen, Jerusalem zu erobern, wird auf dem Wege zu seinem Harem in seiner Sänfte getötet, erdolcht von einem Schergen, der sich als Derwisch verkleidet hatte. Der Atabeg von Homs wird von den Assassinen erstochen, als er aus seiner Burg herab-kommt, um sich zum Freitagsgebet zu begeben, umringt von einer Schar bis an die Zähne bewaffneter Leibwächter.
Sinân beschließt, den christlichen Markgrafen Konrad von Monferrat zu töten, und instruiert zwei seiner Getreuen. Es 626
gelingt ihnen, sich bei den Ungläubigen einzuschleichen, nachdem sie in hartem Training gelernt haben, ihre Sprache und ihre Gebräuche zu imitieren. Verkleidet als Mönche, bei einem Bankett, das der Bischof von Tyrus dem ahnungslo-sen Markgrafen gibt, fallen sie über ihn her und verletzen ihn. Einer der Assassinen wird von den Leibwächtern auf der Stelle getötet, der andere flieht in eine Kirche, wartet, bis der Verletzte dorthin gebracht wird, stürzt sich auf ihn, gibt ihm den Rest und stirbt selig.
Denn — so die arabischen Geschichtsschreiber der sunniti-schen Linie und nach ihnen die christlichen Chronisten, von Odorico da Pordenone bis Marco Polo — der Alte vom Berge hatte eine fürchterliche Methode entdeckt, sich seine Getreuen ergeben bis in den Tod zu machen, als unbesiegbare Kampfmaschinen: Er schleppte sie als junge Burschen, in Schlaf versetzt, auf seine Burg, entnervte sie mit Genüssen, Wein, Weibern, Blumen, schwelgerischen Banketten, betäub-te sie mit Haschisch (daher der Name Assassinen: von Haschaschîn, Haschischraucher), und wenn sie auf die per-versen Wonnen dieses künstlichen Paradieses nicht mehr verzichten konnten, riß er sie aus ihren Träumen und stellte sie vor die Alternative: Geh hin und töte! Wenn du es schaffst, wird dieses Paradies dir erneut und für immer offenstehen, wenn nicht, fällst du zurück in die Hölle des Alltags.
Und sie, betäubt von der Droge, blind seinem Willen un-tertan, opferten sich, um zu opfern — zum Tode verurteilte Töter, zum Morden verdammte Mordopfer.
Wie wurden sie gefürchtet! Wie wurde über sie gefabelt und gefaselt von den Kreuzfahrern in den mondlosen Nächten, wenn der Samum durch die Wüste blies! Wie wurden sie bewundert von den Templern, diesen rauhen Haudegen, überwältigt von einem so hehren Märtyrerwillen, die sich unterwarfen, um ihnen Wegzölle zu zahlen und formale Tribute dafür zu verlangen, in einem Wechselspiel von gegen-seitigen Zugeständnissen, Komplizen- und Waffenbrüderschaften, einander auf offenem Felde bekämpfend und im geheimen liebkosend, einander mystische Visionen zuraunend, magische Formeln, alchimistische Raffinessen...
Von den Assassinen des Alten vom Berge hatten die Templer ihre okkulten Riten gelernt. Nur die unkriegerische Igno-627
ranz der Vögte und Inquisitoren Philipps des Schönen hatte diese daran gehindert, zu begreifen, daß der Kuß auf den Hintern, das Spucken aufs Kreuz, der schwarze Kater und die Anbetung des Baphomet-Hauptes nichts anderes waren als Wiederholungen anderer Riten, welche die Templer unter dem Einfluß des ersten Geheimnisses vollzogen hatten, dem sie im Orient begegnet waren: dem Gebrauch des Haschischs.
So war nun klar, daß der Große Plan dort entstanden war, ja dort entstanden sein mußte: von den Männern aus Alamut hatten die Templer über die tellurischen Strömungen erfahren, mit den Männern aus Alamut hatten sie sich in Provins vereint und das geheime Komplott der Sechsunddreißig Unsichtbaren ausgeheckt; darum war Christian Rosencreutz nach Fez und in andere arabische Orte gereist, darum hatte sich Guillaume Postel in den Orient begeben, darum hatten die Magier der Renaissance aus dem Orient, aus Ägypten, dem Sitz der fatimidischen Ismaeliten, die namengebende Gottheit des Großen Plans importiert, Hermes, Hermes-Thot oder Hermes Trismegistos, und darum hatte der Intrigant Cagliostro seine Riten für ägyptische Figuren ersonnen. Und die Jesuiten, ja die Jesuiten, die hatten sich, weniger dumm, als wir dachten, mit Pater Kircher sofort auf die Hieroglyphen gestürzt, und auf das
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