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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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›Führer‹, aber er dachte dabei an den Alten vom Berge. Und als sie dann alle gemeinsam die SS gründeten, dachte er an eine Organisation wie die Assassinen...
    Fragen Sie sich einmal, warum wohl im Ersten Weltkrieg die Deutschen mit den Türken verbündet waren...«
    »Aber woher wissen Sie all diese Dinge?«
    »Ich hab’s Ihnen doch gesagt, mein Vater selig arbeitete für die russische Ochrana. Nun, und ich erinnere mich, daß die Ochrana damals beunruhigt wegen der Assassinen war, ich glaube, als erster hatte Ratschkowski davon Wind bekommen... Aber dann haben sie die Spur aufgegeben, denn wenn die Assassinen involviert waren, konnten die Juden mit der ganzen Sache nichts mehr zu tun haben, und damals waren die Juden die Gefahr. Wie stets. Die Juden sind dann nach Palästina zurückgekehrt und haben diese andern gezwungen, ans Licht zu treten. Aber das ist eine ziemlich verworrene Geschichte, lassen wir’s damit bewenden.«
    Er schien zu bereuen, daß er so viel gesagt hatte, und verabschiedete sich überstürzt. Dann geschah noch etwas. Nach allem, was seither geschehen ist, bin ich heute sicher, nicht geträumt zu haben, aber damals hätte ich geschworen, es sei eine Halluzination gewesen, denn als ich Salon nachblickte, wie er auf die Straße hinausging, war mir, als sähe ich ihn an der Ecke einem Orientalen begegnen.
    Auf jeden Fall hatte er genug gesagt, um meine Phantasie auf Touren zu bringen. Der Alte vom Berge und die Assassinen waren für mich keine Unbekannten: ich hatte sie in meiner Dissertation erwähnt, denn die Templer waren beschuldigt worden, auch mit ihnen in Verbindung getreten zu sein.
    Wie hatten wir sie nur vergessen können?
    So fing ich wieder an, mein Gehirn arbeiten zu lassen, und vor allem meine Finger, indem ich alte Karteien durchwühl-te, und dabei kam mir eine so glänzende Idee, daß ich mich nicht zurückhalten konnte.
    Am nächsten Morgen platzte ich in Belbos Büro: »Die haben alles falsch gemacht. Wir haben alles falsch gemacht.«
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    »Langsam, langsam, Casaubon. Wer denn? Ach Gott, Sie reden von dem Großen Plan!« Er zögerte einen Moment.
    »Wissen Sie, daß es schlechte Nachrichten von Diotallevi gibt? Er will nicht reden, da hab ich in der Klinik angerufen, aber sie wollten mir nichts Genaues sagen, weil ich kein Angehöriger bin — er hat keine Angehörigen, also wer soll sich da sonst um ihn kümmern? Diese Zurückhaltung hat mir gar nicht gefallen. Es wäre was Gutartiges, sagen sie, aber die Therapie hätte nicht genügt, es wäre besser, wenn er sich noch für einen weiteren Monat in ihre Obhut begäbe, vielleicht lohnte sich auch ein chirurgischer Eingriff... Mit einem Wort, diese Ärzte sagen mir nicht die ganze Wahrheit, und die Sache gefällt mir immer weniger.«
    Ich wußte nicht, was ich antworten sollte, und blätterte verlegen in einem Ordner, um meinen triumphalen Einzug vergessen zu machen. Doch es war Belbo, der nicht widerstehen konnte. Er war wie ein Spieler, dem plötzlich ein gutes Blatt gezeigt wird. »Zum Teufel«, sagte er schließlich.
    »Das Leben geht weiter, leider. Erzählen Sie schon.«
    »Die haben alles falsch gemacht. Wir haben alles falsch gemacht, oder fast alles. Also passen Sie auf. Hitler macht mit den Juden, was er gemacht hat, aber er findet nicht das geringste. Die Okkultisten der halben Welt haben sich jahrhundertelang damit abgemüht, Hebräisch zu lernen, sie rätseln herum, wo es was zu rätseln gibt, aber sie ziehen höchstens das Horoskop ans Licht. Warum?«
    »Nun, weil... weil das Fragment der Jerusalemer noch irgendwo verborgen ist. Übrigens ist ja auch das Fragment der Paulizianer noch nicht zum Vorschein gekommen, soweit wir wissen...«
    »Das ist eine Antwort nach Art von Agliè, nicht nach unserer Art. Ich habe eine bessere: Die Juden haben nichts mit der ganzen Sache zu tun.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Die Juden haben nichts mit dem Großen Plan zu tun. Sie können gar nichts damit zu tun haben. Vergegenwärtigen wir uns noch mal die Lage der Templer, erst in Jerusalem und dann in den europäischen Komtureien. Die französischen Ritter treffen sich mit den deutschen, den portugiesischen, spanischen, italienischen, englischen Rittern, sie alle gemeinsam haben Beziehungen zum byzantinischen Raum, 621
    und vor allem messen sie sich mit dem türkischen Gegner.
    Einem Gegner, mit dem man sich schlägt, aber mit dem man auch verhandelt, wir haben es ja gesehen. Dies waren die beteiligten Kräfte, und die

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