Das Foucaultsche Pendel
bestimmen sich in der Zeit der ›subtilen Geschichte‹, in der das Vorher und Nachher der Wissenschaften recht wenig zählen.«
»Aber dann sind all diese Leute, die sich für die Ewigkeit der Rosenkreuzer stark machen...«
»Szientistische Narren, denn sie versuchen zu beweisen, was man einfach wissen muss, ohne Beweis. Meinen Sie, dass die Gläubigen, die wir morgen Abend sehen werden, all das beweisen können, was Kardec sie gelehrt hat? Sie wissen, weil sie zum Wissen bereit sind. Hätten wir alle uns diese Sensibilität für das Geheimnis bewahrt, wir wären geblendet von Offenbarungen. Es ist nicht nötig zu wollen, es genügt, sich bereitzuhalten.«
»Aber nun sagen Sie bitte, und entschuldigen Sie, wenn ich banal bin: Existieren die Rosenkreuzer oder nicht?«
»Was heißt existieren?«
»Sagen Sie's.«
»Die Große Weiße Bruderschaft, nennen Sie sie Rosenkreuzer, nennen Sie sie eine spirituelle Ritterschaft, von der die Templer eine vorübergehende Verkörperung waren, ist eine Schar von Weisen, von wenigen, sehr wenigen Auserwählten, die durch die Geschichte der Menschheit zieht, um einen Kern von ewiger Weisheit zu bewahren. Die Geschichte entwickelt sich nicht durch Zufall. Sie ist das Werk der Herren der Welt, denen nichts entgeht. Natürlich schützen sich diese Herren durch das Geheimnis. Und daher, wann immer sich jemand als Herr bezeichnet, oder als Rosenkreuzer oder als Templer, ist er ein Lügner. Die wahren Herren der Welt sind woanders zu suchen.«
»Dann geht also diese Geschichte ewig weiter?«
»So ist es. Und das ist die List der Herren.«
»Aber was wollen sie denn, dass die Leute wissen?«
»Dass es ein Geheimnis gibt. Wozu sonst leben, wenn alles so wäre, wie es erscheint?«
»Und was ist das Geheimnis?«
»Das, was die Offenbarungsreligionen nicht zu sagen gewusst haben. Das Geheimnis ist jenseits.«
33
Les visions sont blanc, bleu, blanc rouge clair; enfin elles sont mixtes ou toutes blanches, couleur de flamme de bougie blanche, vous verrez des étincelles, vous sentirez la chair de poule partout votre corps, tout cela annonce le principe de la traction que la chose fait avec celui qui travaille.
(Die Visionen sind weiß, blau, weiß-hellrot. Schließlich sind sie gemischt oder ganz weiß, von der Farbe der Flamme einer weißen Kerze, ihr werdet die Funken sehen, ihr werdet die Gänsehaut am ganzen Leibe spüren, all das kündigt den Beginn des Auftriebs an, den die Sache mit dem macht, der da arbeitet.)
Papus, Martines de Pasqually, Paris, Chamuel, 1895, p. 92
Es kam der versprochene Abend. Wie in Salvador holte Agliè uns im Auto ab. Der Terreiro, in dem die Zeremonie oder gira stattfinden sollte, lag in einer eher zentralen Gegend, wenn man von Zentrum sprechen kann in einer Stadt, die sich in Wellen um ihre zahlreichen Hügel bis ans Meer windet, sodass sie von oben gesehen, wenn sie abends erleuchtet ist, wie eine prächtige Mähne mit dunklen Flecken von grindigem Haarausfall aussieht.
»Erinnern Sie sich, heute Abend geht es um den Umbanda. Da wird man nicht von den Orixás besessen, sondern von den Eguns, den Geistern Verstorbener. Und von Exu, dem afrikanischen Hermes, den Sie in Bahia gesehen haben, und von seiner Gefährtin, der Pomba Gira. Der Exu ist eine Yoruba-Gottheit, ein immer zu bösen Scherzen und Streichen aufgelegter Dämon, aber einen Possengott gab es auch in der indianischen Mythologie.«
»Und die Verstorbenen, wer sind die?«
» Pretos velhos und caboclos. Die pretos velhos sind alte afrikanische Weise, die ihre Leute zur Zeit der Deportationen geführt hatten, wie Rei Congo oder Pai Agostinho... Sie erinnern an eine abgemilderte Phase der Sklaverei, in welcher der Neger nicht mehr ein Tier ist und zu einem Freund der Familie wird, einem Onkel, einem Großvater. Die caboclos dagegen sind indianische Geister, jungfräuliche Kräfte, die Reinheit der ursprünglichen Natur. Im Umbanda bleiben die afrikanischen Orixás im Hintergrund, inzwischen restlos mit den katholischen Heiligen gleichgesetzt, und es greifen nur jene Wesen ein. Sie sind es, welche die Trance hervorrufen: Die Tanzenden oder cavalos spüren an einem bestimmten Punkt des Tanzes, dass sie von einem höheren Wesen durchdrungen werden, und verlieren das Bewusstsein ihrer selbst. Sie tanzen weiter, bis das göttliche Wesen sie wieder verlässt, und danach fühlen sie sich besser, erfrischt und gereinigt.«
»Die Glücklichen«, sagte Amparo.
»Ja, sie sind glücklich«,
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