Das Foucaultsche Pendel
heilen konnte.«
»Verrücktes Zeug. Und das ist Wissenschaft?«
»Nicht in dem Sinn, wie wir Wissenschaft heute verstehen. Aber sie diskutierten über diese Sache, weil kurz vorher die Wunder des Magneten entdeckt worden waren und man sich überzeugt hatte, dass es Fernwirkungen gibt. Wie es auch die Magie behauptete. Und so dachte man, eine Fernwirkung ist so gut wie die andere... Verstehen Sie, diese Leute irrten sich damals, aber Volta und Marconi haben sich nicht geirrt. Was sind Elektrizität und Funkwellen, wenn nicht Fernwirkungen?«
»Schau, schau. Gar nicht so übel, unser Casaubon. Wissenschaft und Magie Arm in Arm, he? Große Idee. Also gut, los: Werfen Sie ein paar von diesen langweiligen Dynamos raus, und tun Sie dafür mehr Mandrake rein. So ein paar Teufelsbeschwörungen, was weiß ich, auf Goldgrund.«
»Ich würde es nicht übertreiben. Dies ist das wunderbare Abenteuer der Metalle. Die Bizarrerien machen sich nur gut, wenn sie an der richtigen Stelle kommen.«
»Das wunderbare Abenteuer der Metalle muß vor allem die Geschichte seiner Irrtümer sein. Man zeigt die schöne Bizarrerie, und dann sagt man in einer Fußnote, dass sie falsch ist. Derweilen steht sie da, und der Leser ist fasziniert, weil er sieht, dass auch die großen Männer falsch argumentieren, genau wie er.«
Ich erzählte von einem sonderbaren Erlebnis, das ich am Ufer der Seine gehabt hatte, unweit vom Quai Saint-Michel. Ich war in eine Buchhandlung getreten, die sich schon draußen in zwei symmetrischen Schaufenstern mit ihrer Schizophrenie gebrüstet hatte. Auf der einen Seite Werke über Computer und die Zukunft der Elektronik, auf der anderen nur okkulte Wissenschaften. Und genauso ging's dann auch innen weiter: Apple und Kabbala.
»Unglaublich«, sagte Belbo.
»Evident«, sagte Diotallevi. »Oder jedenfalls bist du der letzte, der sich darüber wundern dürfte, Jacopo. Die Welt der Maschinen sucht das Geheimnis der Schöpfung wiederzufinden: Buchstaben und Zahlen.«
Garamond sagte nichts. Er hatte die Hände gefaltet, als ob er betete, und hielt die Augen am Himmel gerichtet. Dann klatschte er plötzlich die Hände zusammen: »Meine Herren, alles, was Sie heute gesagt haben, bestätigt mich in einem Gedanken, den ich seit ein paar Tagen... Aber alles zu seiner Zeit, ich muß noch darüber nachdenken. Machen Sie vorerst weiter so. Bravo, Casaubon, wir werden auch Ihren Vertrag noch mal ansehen, Sie sind ein wertvoller Mitarbeiter. Und tun Sie, tun Sie mir viel Kabbala und Computer rein. Computer macht man doch aus Silizium, oder?«
»Aber Silizium ist kein Metall, sondern ein Metalloid.«
»Wollen Sie mir jetzt mit Spitzfindigkeiten über Wortendungen kommen? Was soll das, rosa rosarum? Computer rein! Und Kabbala!«
»Die kein Metall ist«, insistierte ich.
Er begleitete uns zur Tür. Auf der Schwelle sagte er zu mir: »Casaubon, das Büchermachen ist eine Kunst, keine Wissenschaft. Spielen wir nicht die Revolutionäre, die Zeiten sind vorbei. Tun Sie Kabbala rein. Ach, übrigens, bei Ihren Reisespesen habe ich mir erlaubt, den Liegewagen abzuziehen. Nicht aus Geiz, ich hoffe, Sie nehmen mir das ab. Sondern weil die Forschung sich eines gewissen — wie soll ich sagen — spartanischen Geistes befleißigen muß. Sonst wird sie unglaubwürdig.«
Ein paar Tage später bestellte er uns wieder in sein Büro. Er habe da einen Besucher, sagte er zu Belbo, mit dem er uns gerne bekannt machen würde.
Wir gingen hinüber. Garamond unterhielt sich mit einem beleibten Herrn, der ein Gesicht wie ein Tapir hatte, blonder Schnurrbart unter einer großen Tiernase und kein Kinn. Er kam mir gleich irgendwie bekannt vor, dann erinnerte ich mich: es war der Professor Bramanti, den ich in Rio gehört hatte, der Referent oder was auch immer jenes Ordens vom Rosenkreuz.
»Herr Professor Bramanti behauptet«, sagte Garamond, »es sei der rechte Moment für einen gewitzten Verlag mit Gespür für den Zeitgeist, eine Buchreihe zum Thema okkulte Wissenschaften zu initiieren.«
»Für... Manuzio«, warf Belbo ein.
»Für wen sonst?« lächelte Signor Garamond verschmitzt. »Herr Professor Bramanti, der mir unter anderem von einem teuren Freund empfohlen wurde, nämlich von Doktor De Amicis, dem Autor jener großartigen Chroniken des Zodiaks, die wir letztes Jahr herausgebracht haben, beklagt, dass die wenigen Reihen, die es zu diesem Thema gebe — fast alle bei Verlagen von geringer Seriosität und Zuverlässigkeit, notorisch
Weitere Kostenlose Bücher