Das Foucaultsche Pendel
nicht gefunden. Dann habe ich Scheidewasser bereitet, ätzende Wasser, brennende Wasser, aber das Ergebnis war immer dasselbe. Ich habe Eierschalen, Schwefel, Vitriol und Arsen benutzt, Salmiak, Glassalz, Alkalisalz, Kochsalz, Steinsalz, Salpeter, Natronsalz, Attincarsalz, Weinsteinsalz, Alembrotsalz, aber glauben Sie mir, hüten Sie sich vor all diesen Stoffen. Meiden Sie die unvollkommenen Rotmetalle, sonst werden Sie so getäuscht, wie ich getäuscht worden bin. Ich habe alles probiert: das Blut, die Haare, die Seele Saturns, die Markasiten, das Aes ustum, den Mars-Safran, die Späne und Schlacken des Eisens, das Bleioxyd, das Antimon — nichts. Ich habe mit allen Mitteln versucht, das Öl und das Wasser aus dem Silber zu kriegen, ich habe das Silber mit präpariertem Salz und ohne Salz kalziniert, auch mit Aquavit, und habe nur ätzende Öle gewonnen. Ich habe Milch, Wein und Lab verwendet, das Sperma der Sterne, das auf die Erde fällt, das Schellkraut, die Plazenta und eine Unzahl anderer Dinge, ich habe das Quecksilber mit den Metallen vermischt und sie zu Kristallen reduziert, ich habe sogar in der Asche gesucht... Schließlich... «
»Schließlich?«
»Nichts auf dieser Welt erfordert mehr Vorsicht als die Wahrheit. Sie zu sagen ist, wie wenn man sich einen Aderlass am Herzen macht... «
»Genug, genug, Sie erregen mich... «
»Nur Ihnen wage ich mein Geheimnis anzuvertrauen. Ich bin aus keiner Epoche und keinem Ort. Außerhalb der Zeit und des Raumes lebe ich meine ewige Existenz. Es gibt Menschen, die keine Schutzengel mehr haben: ich bin einer von ihnen... «
»Aber warum haben Sie mich hierhergeführt?«
Eine andere Stimme mischte sich ein: »Lieber Balsamo, spielen wir immer noch mit dem Unsterblichkeitsmythos?«
»Dummkopf! Die Unsterblichkeit ist kein Mythos. Sie ist eine Tatsache.«
Ich wollte gerade weitergehen, gelangweilt von dem Geschwätz, da hörte ich den Signor Salon. Er redete leise und aufgeregt, als hielt er jemanden am Arm zurück. Ich erkannte die Stimme von Pierre.
»Also hören Sie«, sagte Salon, »Sie werden mir doch nicht weismachen wollen, auch Sie wären hier wegen dieser alchimistischen Posse. Und sagen Sie nicht, Sie wären hergekommen, um frische Luft im Garten zu schnappen. Wissen Sie, daß Salomon de Caus, nachdem er in Heidelberg war, eine Einladung des Königs von Frankreich angenommen hatte, um sich mit der Säuberung von Paris zu befassen?«
»Les façades?«
»Er war nicht Malraux. Ich vermute, es handelte sich um die Kanalisation. Interessant, nicht wahr? Dieser Herr erfand symbolträchtige Orangenhaine und Obstgärten für die Kaiser, aber was ihn wirklich interessierte, waren die Untergründe von Paris. Zu jener Zeit gab es in Paris noch kein richtiges Kanalnetz. Es war nur eine Mischung aus offenen und gedeckten Gräben, über die man sehr wenig wusste. Die alten Römer wussten schon seit der republikanischen Zeit alles über ihre Cloaca Maxima, und fünfzehnhundert Jahre später weiß man in Paris nichts von dem, was unter der Erde vorgeht. Und de Caus nimmt die Einladung des Königs an, weil er mehr darüber wissen möchte. Was wollte er herausfinden? Nach de Caus schickte Colbert zur Reinigung der gedeckten Kanäle — das war der Vorwand, doch bedenken Sie, wir sind jetzt in der Zeit der Eisernen Maske! — Sträflinge in die Kloaken, aber die wateten durch den Kot und folgten dem Strom bis zur Seine und fuhren auf einem Boot davon, ohne daß jemand wagte, sie zurückzuhalten, diese entsetzlich stinkenden Kreaturen, eingehüllt in Wolken von Fliegen... Daraufhin postierte Colbert Gendarmen an den Ausgängen zur Seine, und die Sträflinge verreckten in den Stollen. In drei Jahrhunderten sind in Paris kaum drei Kilometer Kanäle abgedeckt worden. Aber im achtzehnten Jahrhundert hat man sechsundzwanzig Kilometer geschafft, und das am Vorabend der Revolution. Sagt Ihnen das nichts?«
»Oh, vous savez, ça...«
»Der Grund ist, daß jetzt neue Leute an die Macht kamen, die etwas wussten, was die früheren nicht gewusst hatten. Napoleon schickte Arbeitstrupps unter die Erde, die in der Dunkelheit vorrückten, zwischen den menschlichen Abfällen der Metropole. Ich sage Ihnen, wer damals den Mut hatte, dort unten zu arbeiten, konnte viel finden. Ringe, Gold, Halsketten, Juwelen — was war nicht alles seit wer-weiß-wann in jene Gräben gefallen! Es genügten Leute, die den Magen hatten, das Zeug zu verschlucken, um dann herauszukommen, ein Abführmittel zu
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