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Semenon und die kleine Landkneipe

Semenon und die kleine Landkneipe

Titel: Semenon und die kleine Landkneipe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Georges Simenon
    Maigret und die kleine Landkneipe
    Roman Aus dem Französischen von Bernhard Jolies und Heide Bideau

    Diogenes
    Titel der Originalausgabe:
›La Guinguette à deux sous‹
Copyright © 1931 by Georges Simenon
Umschlagzeichnung von
Hans Höfliger

    Erstmals ungekürzte deutsche Ausgabe

    Alle deutschen Rechte vorbehalten
Copyright © 1986 by
Diogenes Verlag AG Zürich
80/86/36/1
isbn 3 257 21428 6

    Inhalt

    1. Der Samstag des Monsieur Basso 7
    2. Der Ehemann der Dame 23 3. Die zwei Boote 39
    4. Die Begegnungen in der Rue Royale 52
    5. Das Auto des Arztes 68
    6. Man feilscht um den Preis 83 7. Der Trödler 98 8. James’ Geliebte 110
    9. Ein großer Schinkenkauf 126
    10. Maigret spricht in der Zelle 142
    11. Ulrichs Mörder 156

    1

    Der Samstag des Monsieur Basso

    E in strahlender Spätnachmittag. Träges Sonnenlicht auf
         den stillen Straßen auf dem linken Seineufer. Und in allen Gesichtern die gleiche Lebensfreude, die man auch in den vertrauten Geräuschen der Straße zu hören glaubt.
      Es gibt solche Tage, an denen das Dasein weniger grau ist und die Menschen auf den Straßen, in den Straßenbahnen oder Autos irgendeine Rolle in einem verzauberten Märchen zu spielen scheinen.
      Es war der 27. Juni. Als Maigret vor dem Haupttor des Sante-Gefängnisses stand, sah er, daß der Aufseher sich am Spiel eines weißen Kätzchens freute, das mit dem kleinen Hund aus dem Milchladen herumtollte.
      Und dann gibt es wohl auch Tage, an denen uns der Widerhall des Pflasters ausdrucksvoller zu klingen scheint als sonst. Maigrets Schritte hallten von den hohen Mauern des geräumigen Hofes wider. Am Ende eines Ganges fragte er einen der Wärter:
      »Weiß er es?«
      »Noch nicht.«
      Ein Schlüssel dreht sich im Schloß. Ein Riegel wird zurückgeschoben. In der hohen, sehr sauberen Zelle erhebt sich ein Mann. Sein Gesicht kann seinen Ausdruck noch nicht festlegen.
    »Wie geht’s, Lenoir?« begrüßte ihn der Kommissar.
      Das eben angedeutete Lächeln verschwand, ein plötzlich aufsteigender Gedanke ließ seine Züge hart werden. Die Augenbrauen zogen sich argwöhnisch zusammen, und der Mund nahm einen bitteren Ausdruck an. Etwa eine Sekunde lang. Dann, nach einem Achselzucken, streckte er dem Besucher die Hand hin.
      »Verstehe«, sagte er.
      »Was?«
      Ein … Lächeln.
      »Geben Sie sich keine Mühe! Ich weiß, welche Nachricht Sie mir bringen.«
      »Ich gehe morgen früh in die Ferien, und …«
      Der Gefangene unterbrach ihn mit einem trockenen Lachen. Es war ein großer Bursche mit zurückgebürstetem, braunem Haar. Regelmäßige Züge. Dunkle Augen. Ein feines Schnurrbärtchen unterstrich das Weiß seiner auffallend spitzen Zähne – wie bei einem Nagetier.
      »Nett von Ihnen, Herr Kommissar.«
      Dabei reckte er sich, gähnte und klappte den Deckel des Kübels in der Zellenecke zu.
      »Entschuldigen Sie die Unordnung.«
      Dann bohrte er seinen Blick in Maigrets Augen.
      »Das Gnadengesuch ist also abgelehnt?«
      Leugnen wäre zwecklos gewesen. Er hatte verstanden. Während er auf und ab ging, sagte er:
      »Ich habe mir keine falschen Hoffnungen gemacht. Also … morgen?«
      Er konnte es nicht verhindern, daß seine Stimme weniger fest klang und seine Augen den Lichtstrahl such ten, der durch das schmale Fenster unter der Decke fiel.
      Zur gleichen Stunde riefen die Zeitungsverkäufer auf den Terrassen der Cafés:

    »Ablehnung des Gnadengesuchs des Bandenführers von Belle ville. Die Hinrichtung Lenoirs auf morgen festgesetzt.«

    Vor drei Monaten hatte Maigret in einem Hotel in der Rue Saint-Antoine Lenoir festgenommen. Um ein Haar hätte ihn die Kugel des Mörders getroffen. Und nur durch einen Zufall war er dieser Kugel entgangen, die sich statt in seine Brust in die Decke des Zimmers bohrte.
      Der Kommissar hatte es ihm nicht nachgetragen, er hatte sich im Gegenteil sehr für Lenoir interessiert. Lenoir war jung, ein Bursche von vierundzwanzig Jahren, der seit seinem fünfzehnten Lebensjahr unentwegt Vorstrafen eingesammelt hatte.
      Vielleicht in erster Linie, weil er so kühn war. Er hatte Komplizen. Zwei waren am gleichen Tag festgenommen worden wie er. Sie waren ebenfalls schuldig, und bei dem letzten Coup, dem Raubüberfall auf einen Kassenboten, waren sie wohl sogar die Haupttäter gewesen.
      Trotzdem hatte Lenoir sie entlastet, hatte die volle Verantwortung auf sich genommen und es abgelehnt, zu »singen«

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