Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
Vom Netzwerk:
alles wusste, alles Bekannte, alles Unbekannte und alles Inexistente... «
    »Sie denken wohl immerzu an die Unterwelt«, sagte ich in Erinnerung an unser Gespräch in München und an die Sätze, die ich durch das Ohr des Dionysios aufgeschnappt hatte.
    Er schlug eine andere Seite des Bandes auf. ein Bild der Erdkugel, die aussah wie ein geblähtes schwarzes Leibesorgan, durchzogen von einem Netzwerk leuchtender Adern, in Serpentinen und flammend. »Wenn Athanasius Kircher recht hatte, gibt es mehr Pfade im Innern der Erde als draußen auf ihrer Oberfläche. Wann immer etwas in der Natur geschieht kommt es aus der glühenden Hitze dort unten...«Ich dachte an das Schwarze Werk, an Lias Bauch, an das Kleine Ding, das da auszubrechen versuchte aus seinem sanften Vulkan.
    »... und wann immer etwas in der Menschenwelt geschieht, ist es dort unten ersonnen worden.«
    »Sagt das Pater Kircher?«
    »Nein, er befasste sich bloß mit der Natur... Aber es ist sehr bemerkenswert, daß der zweite Teil dieses seines Buches von der Alchimie und den Alchimisten handelt und daß sich genau hier, sehen Sie, ein Angriff auf die Rosenkreuzer findet. Warum werden die Rosenkreuzer in einem Buch über die unterirdische Welt angegriffen? Nun, weil unser Jesuit es faustdick hinter den Ohren hatte, er wusste, daß die letzten Templer sich in das unterirdische Reich von Agarttha geflüchtet hatten... «
    »... und anscheinend immer noch dort sind«, warf ich aufs Geratewohl ein.
    »Ja, sie sind immer noch dort«, bestätigte Salon. »Nicht in Agarttha, aber in anderen Untergründen. Vielleicht direkt hier unter uns. Inzwischen hat auch Mailand seine Untergrundbahn. Wer hat sie gewollt? Wer hat ihren Bau geleitet?«
    »Nun, ich denke doch spezialisierte Ingenieure?«
    »Ja ja, halten Sie sich nur weiter die Augen zu. Und derweilen publizieren Sie in Ihrem Verlagshaus Bücher von wer weiß was für Leuten. Wie viele Juden haben Sie unter Ihren Autoren?«
    »Wir pflegen unsere Autoren nicht nach ihrem Stammbaum zu fragen«, antwortete ich kühl.
    »Halten Sie mich nicht für einen Antisemiten. Einige meiner besten Freunde sind Juden. Ich denke an eine bestimmte Sorte von Juden... «
    »Nämlich?«
    »Je nun... «

79
    Er machte sein Köfferchen auf. In unbeschreiblichem Durcheinander lagen dort falsche Kragen, Gummibänder, Küchengeräte, Abzeichen diverser technischer Hochschulen, ja sogar das Monogramm der Zarin Alexandra Fjodorowna und das Kreuz der Ehrenlegion. Auf all dem glaubte er in seinem Wahn das Siegel des Antichrist zu erkennen, in Form eines Dreiecks oder zweier überkreuztet Dreiecke.
    Alexandre Chayla, »Serge A. Nilus et les Protocoles«, La Tribune juive, 14. Mai 1921, p. 3
     
    »Sehen Sie«, sagte er dann, »ich bin in Moskau geboren. Und genau dort sind, als ich ein Junge war, geheime jüdische Dokumente ans Licht gekommen, in denen mit klaren Worten gesagt wurde, daß, wer Regierungen stürzen will, im Untergrund arbeiten muß. Hören Sie.« Er schlug ein Heft auf, in das er sich Zitate notiert hatte: »›Zu der Zeit werden alle Städte Untergrundbahnen und unterirdische Passagen haben; aus diesen werden wir alle Städte der Welt in die Luft sprengen.‹ Protokolle der Weisen von Zion, Dokument Nummer neun!«
    Einen Moment lang dachte ich, daß die Sammlung von Wirbeln, die Schachtel mit den Augen, die Häute, die er auf die Gerüste spannte, womöglich aus irgendeinem Vernichtungslager stammten. Aber nein, ich hatte es nur mit einem alten Nostalgiker zu tun, der Erinnerungen an den russischen Antisemitismus mit sich herumtrug.
    »Wenn ich Sie recht verstehe, gibt es also einen Geheimbund von Juden, von ganz bestimmten Juden, nicht allen, die irgendein Komplott schmieden. Aber warum tun die das unter der Erde?«
    »Das ist doch klar. Wer ein Komplott schmiedet, tut das im Dunkeln drunten, nicht oben im hellichten Sonnenschein. Das weiß doch seit Urzeiten jeder: Beherrschung der Welt heißt Beherrschung dessen, was unten ist. Beherrschung der unterirdischen Ströme.«
    Ich musste an einen Satz von Agliè denken, den er in seinem Studio gesagt hatte, und an die Druidinnen in Piemont, die tellurische Vibrationen beschworen.
    »Warum haben die Kelten sich Heiligtümer im Innern der Erde gegraben, mit unterirdischen Gängen zu einem heiligen Brunnen?« fuhr Salon fort. »Der Brunnen reichte in radioaktive Schichten hinunter, das ist bekannt. Wie ist Glastonbury angelegt? Und war's etwa nicht die Insel Avalon, von der die

Weitere Kostenlose Bücher