Das Foucaultsche Pendel
vibrierend, bebt leise zischend und verbindet die schweren Körper mit den leichten. Wie ein Strudel oder ein Wirbel im Wasser, wie die Mitte der Silbe OM.«
»Aber für welches Geheimnis steht die Schlange?«
»Für die Erdstrahlen. Aber die wahren.«
»Und was sind die wahren Erdstrahlen?«
»Eine große kosmologische Metapher; und sie stehen für die Schlange.«
Zum Teufel mit Agliè, ich wusste jetzt mehr.
Ich teilte Belbo und Diotallevi mit, was ich wusste, und wir hatten nun keine Zweifel mehr. Endlich waren wir in der Lage, den Templern ein anständiges Geheimnis zu liefern. Es war die ökonomischste und eleganteste Lösung, und alle Teile unseres jahrtausendealten Puzzles fanden darin ihren Platz.
Also. Die Kelten wussten von den Erdstrahlen. Sie hatten die Kunde von den Überlebenden aus Atlantis, die nach dem Untergang ihres Kontinents zum Teil an den Nil, zum Teil in die Bretagne emigriert waren.
Die Atlantiden ihrerseits hatten die Kunde von jenen Urvätern des Menschengeschlechts, die bei ihren Wanderungen aus Avalon durch den Kontinent Mu bis in die australische Wüste gelangt waren — als alle Kontinente noch einen einzigen, zusammenhängenden Kernkontinent bildeten, das legendäre Pangäa. Noch heute brauchte man nur imstande zu sein (wie es die australischen Aborigenes sind, aber die schweigen), die geheimnisvollen Schriftzeichen auf dem Felsmassiv von Ayers Rock zu lesen, um die Erklärung für alles zu haben. Ayers Rock ist der Antipode jenes großen (unbekannten) Berges, der den wahren Nordpol darstellt, den geheimen Pol, nicht den, zu welchem jeder x-beliebige bürgerliche Forscher gelangen kann. Wie üblich — und wie evident für jeden, der sich nicht vom falschen Wissen der westlichen Wissenschaften hat verblenden lassen — ist der sichtbare Pol der, den es nicht gibt, und der, den es gibt, ist der, den niemand zu sehen vermag außer einigen Adepten, deren Lippen versiegelt sind.
Die Kelten glaubten jedoch, man brauchte nur den globalen Plan der Erdstrahlen zu entdecken. Darum stellten sie Megalithe auf. Die Menhire waren radiästhetische Apparate, so etwas wie Wünschelruten, Fühler, Sonden, elektrische Stecker, die an die Punkte gesteckt wurden, wo sich die tellurischen Ströme in verschiedene Richtungen teilten. Die Leys bezeichneten den Verlauf der bereits identifizierten Ströme. Die Dolmen waren Kammern zur Kondensation der Energie, in denen die Druiden versuchten, mit geomantischen Mitteln den globalen Plan zu erschließen, die Cromlechs und Stonehenge waren mikro-makrokosmische Observatorien, in denen man sich bemühte, am Lauf der Sterne den Lauf der Ströme zu erraten — denn wie die Tabula Smaragdina lehrt: So wie es oben ist, ist es auch unten.
Doch nicht dies war das Problem, jedenfalls nicht dies allein. Das hatte der andere Flügel der Atlantis-Emigranten begriffen. Die geheimen Kenntnisse der Ägypter waren von Hermes Trismegistos auf Moses übergegangen, der sich wohlweislich hütete, sie seinen zerlumpten Landsleuten mitzuteilen, die den Hals noch voll Manna hatten — denen hatte er die zehn Gebote gegeben, die konnten sie wenigstens verstehen. Die Wahrheit jedoch, die aristokratisch ist, die hatte Moses chiffriert im Pentateuch niedergeschrieben. Und das hatten die Kabbalisten begriffen.
»Denken Sie nur«, sagte ich. »Alles stand bereits wie in einem offenen Buch in den Maßen des Salomonischen Tempels geschrieben, und die Hüter des Geheimnisses waren jene Rosenkreuzer, welche die Große Weiße Brüderschaft konstituierten, das heißt die Essener, die bekanntlich Jesus an ihrem Geheimnis teilhaben ließen, was der Grund für die sonst unbegreifliche Tatsache ist, daß er gekreuzigt wurde...«
»Gewiss, die Passion Christi ist eine Allegorie, eine Ankündigung des Templerprozesses.«
»In der Tat. Und Joseph von Arimathia hat das Geheimnis von Jesus erfahren und ins Land der Kelten gebracht oder besser zurückgebracht. Aber noch ist das Geheimnis unvollständig, die christlichen Druiden kennen nur einen Teil davon, und dies ist die esoterische Bedeutung des Grals: Es gibt da noch etwas, aber wir wissen nicht, was es ist. Was es sein müsste, was der Tempel schon lange besagen würde, wenn man ihn nur zu lesen verstünde, vermuten nur ein paar Rabbiner, die in Palästina geblieben sind. Sie vertrauen es den muslimischen Geheimsekten an, den Sufis, den Ismaeliten, den Mutakallimun. Und von denen erfahren es dann die Templer.«
»Endlich die Templer. Ich
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