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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Belbo.
    »Wir«, sagte ich.

77
    Dieses Kraut wird von den Philosophen Teufelsaustreiber genannt. Es ist experimentell erwiesen, daß nur dieser Samen die Teufel und ihre Halluzinationen vertreibt.. Man hat einem jungen Mädchen davon gegeben, das bei Nacht von einem Teufel gequält wurde, und da hat ihn das Kraut in die Flucht geschlagen.
    Johannes a Rupescissa, Tratatus de quinta essentia, II
     
    In den folgenden Tagen vernachlässigte ich den Großen Plan. Lias Schwangerschaft näherte sich dem Ende, ich blieb nun bei ihr, sooft ich konnte. Sie beruhigte mich, ich solle mir keine Sorgen machen, es sei noch nicht soweit. Sie nahm an einem Kurs für schmerzlose Geburt teil, und ich versuchte, ihre Übungen mitzumachen. Sie hatte es abgelehnt, sich von der Wissenschaft voraussagen zu lassen, welches Geschlecht das Kind haben würde. Sie wollte die Überraschung. Ich hatte ihren exzentrischen Wunsch akzeptiert. Ich tastete ihr den Bauch ab und fragte mich nicht, was da herauskommen würde, wir nannten es einfach das Kleine, das Ding.
    Ich fragte sie nur, wie ich ihr bei der Geburt würde helfen können. »Es ist doch auch meins, das Kleine«, sagte ich. »Ich will nicht den werdenden Vater spielen, wie man ihn aus dem Kino kennt, der nervös auf dem Korridor hin und her rennt und sich eine Zigarette an der andern ansteckt.«
    »Pim, viel mehr wirst du nicht tun können. Es kommt ein Moment, der ganz allein meine Sache ist Und außerdem rauchst du nicht und wirst dir's ja wohl nicht bei dieser Gelegenheit angewöhnen wollen.«
    »Also was mache ich dann?«
    »Du beteiligst dich vorher und nachher. Nachher, wenn es ein Junge ist, erziehst du ihn, bildest ihn, verschaffst ihm einen schönen Ödipus, wie sich's gehört, stellst dich dem rituellen Vatermord, wenn der Moment gekommen ist, lächelnd und ohne Geschichten zu machen, und dann zeigst du ihm eines Tages dein miserables Büro, die Karteikästen, die Druckfahnen der wunderbaren Geschichte der Metalle und sagst, mein Sohn, dies alles wird eines Tages dir gehören.«
    »Und wenn es ein Mädchen ist?«
    »Dann sagst du, meine Tochter, dies alles wird eines Tages deinem Nichtsnutz von Gatten gehören.«
    »Und vorher?«
    »Wenn die Wehen kommen, vergeht dazwischen immer eine gewisse Zeit, die man zählen muß, denn je kürzer die Zeit zwischen den Wehen wird, desto näher kommt der Moment. Wir werden zusammen zählen, und du wirst mir den Takt geben, wie beim Rudern auf den Galeeren. Es wird so sein, als ob auch du unser Kleines Ding langsam aus seiner warmen dunklen Höhle herausholst. Das Arme... Fühlst du's, jetzt geht's ihm so gut da im Dunkeln, es süffelt genüsslich Säfte wie eine Zecke, alles gratis, und dann plötzlich, peng, kommt es rausgeschossen ans Sonnenlicht, blinzelt und sagt, Teufel, wo bin ich da hingeraten?«
    »Das arme Ding. Und dabei kennt es noch gar nicht den Signor Garamond. Komm, probieren wir mal zu zählen.«
    Wir zählten im Dunkeln und hielten uns an den Händen. Ich fantasierte. Das Kleine Ding da in Lias Bauch, das war etwas Wahres, Echtes, das durch seine Geburt allem Unsinn der Diaboliker Sinn geben würde. Arme Diaboliker, die ihre Nächte damit verbrachten, sich chymische Hochzeiten auszudenken und sich zu fragen, ob am Ende wirklich acht-zehnkarätiges Gold herauskommen würde und ob der Stein der Weisen der lapis exillis wäre, ein kläglicher Gral aus Steingut — während mein Gral hier in Lias Bauch war.
    »Ja«, sagte Lia und strich sich über die straffe Wölbung des Bauches, »in diesem Gefäß hier vergärt deine gute Prima Materia. Was dachten denn diese Leute, die du in dem Schloss gesehen hast damals, was in dem Gefäß passiert?«
    »Och, die dachten, da grummelt die Melancholie, da brodelt die Schwefelerde, das schwarze Blei, das Saturnische Öl, da blubbert ein Styx aus Aufweichungen, Sättigungen, Durchtränkungen, Verflüssigungen, Vermischungen, Versenkungen, fauliger Erde, stinkigen Leichen... «
    »Igitt, was waren das denn für Leute? Waren die impotent? Wussten die nicht, daß in dem Gefäß unser Kleines heranwächst, ein rundum blankes, schönes, rosiges Ding?«
    »Sicher wussten sie das, aber für die ist auch dein Bauch eine Metapher voller Geheimnisse... «
    »Da sind aber keine Geheimnisse, Pim. Wir wissen sehr gut, wie sich das Kleine da bildet, mit seinen Nervchen und Müskelchen und Öhrchen und Milzchen und Bauchspeicheldrüselchen... «
    »Heiliger Himmel, wie viele Milzen soll es denn haben? Ist

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