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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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versteckt. Vielleicht gibt es jemanden, der die Karte hat, aber nicht weiß, wozu sie dient, oder er ahnt, daß sie wertvoll ist, aber er weiß nicht warum, und nun reist er durch die Welt auf der Suche nach einem Käufer. Denken Sie nur, was für ein Gewimmel von Angeboten, falschen Spuren, Botschaften, die etwas ganz anderes besagen, aber gelesen werden, als sprächen sie von der Karte, und Botschaften, die von der Karte sprechen, aber gelesen werden, als handelten sie, was weiß ich, von der Goldfabrikation. Und wahrscheinlich versuchen auch einige, die Karte direkt zu rekonstruieren, anhand von Mutmaßungen.«
    »Was für Mutmaßungen?«
    »Zum Beispiel über mikro-makrokosmische Korrespondenzen. Hier sehen Sie noch eine dritte Karte. Wissen Sie, woher die kommt? Sie erscheint im zweiten Traktat der Utriusque Cosmi Historia von Robert Fludd. Fludd ist der Mann der Rosenkreuzer in London, vergessen wir das nicht. Und was macht nun dieser Robertus de Fluctibus, wie er sich gerne nennen ließ? Er präsentiert eine sehr eigenartige Projektion der Erdkugel, nämlich aus der Perspektive des Nordpols, des mystischen Pols natürlich, und somit aus der Perspektive eines idealen Pendels, das an einem idealen Punkt über dem Nordpol hängt. Jawohl, meine Herren, dies hier ist eine Karte, die konzipiert wurde, um unter ein Pendel gelegt zu werden! Die Beweise sind unwiderleglich, wie kommt es nur, daß niemand vor uns daran gedacht hat?«
    »Die Diaboliker sind eben schrecklich langsam«, meinte Belbo.
    »Wir sind eben die einzig würdigen Erben der Templer. Aber lassen Sie mich fortfahren. Sehen Sie sich das noch genauer an, Sie haben das Schema sicher erkannt, es ist eine drehbare Scheibe, so eine, wie sie Trithemius für seine chiffrierten Botschaften benutzte. Dies hier ist gar keine Karte. Es ist der Entwurf für eine Maschine zum Durchprobieren von Variationen, zum Erzeugen von alternativen Karten, bis die richtige gefunden ist. Und Robert Fludd sagt es auch in der Beischrift: ›Dies ist die Skizze für ein instrumentum, es muß noch daran gearbeitet werden.‹«
    »Aber war Fludd nicht der, der sich in den Kopf gesetzt hatte, die Rotation der Erde zu negieren? Wie konnte er an das Pendel denken?«
    »Wir haben es mit Initiierten zu tun. Ein Initiierter negiert, was er weiß. Er leugnet, daß er es weiß. Er lügt, um ein Geheimnis zu wahren.«
    »Das würde erklären«, meinte Belbo, »warum sich John Dee so angelegentlich mit der Kartographie befasste. Nicht um die ›wahre‹ Form der Welt zu erkennen. Sondern um unter all den falschen Karten diejenige zu rekonstruieren, die ihm als einzige nützte, also die einzig richtige war.«
    »Nicht schlecht, nicht schlecht«, schloss Diotallevi. »Die Wahrheit zu finden, indem man einen verlogenen Text präzise rekonstruiert.«

    Planiglobium cosmographicum
    aus Robert Fludd, Utriusque Cosmi Historia, II, De Naturae Simia, Frankfurt a. M., de Bry, 1624, p. 545

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    La principale occupation de cette Assemblée et la plus utile doibt estre, à mon avis, de travailler à l’histoire naturelle, à peu près suivant les desseins de Verulamius.
    (Die Hauptbeschäftigung dieser Versammlung und die nützlichste muß nach meinem Dafürhalten sein, an der Naturgeschichte zu arbeiten, mehr oder minder gemäß den Plänen des Verulamius.)
    Christian Huygens, Brief an Colbert, in Oeuvres Complètes, Den Haag 1888-1950, VI, p. 95-96
     
    Die Wechselfälle der sechs Gruppen beschränkten sich nicht auf die Suche nach der richtigen Karte. Vermutlich hatten die Templer in den beiden ersten Teilen der Botschaft, dem der Portugiesen und dem der Engländer, auf ein Pendel angespielt, aber die Vorstellungen über Pendel waren damals noch ziemlich konfus. Ein Senkblei schwingen zu lassen ist eine Sache, etwas ganz anderes ist es, einen Präzisionsmechanismus zu konstruieren, der genau im vorgesehenen Sekundenbruchteil von einem Sonnenstrahl getroffen wird. Deshalb hatten die Templer sechs Jahrhunderte einkalkuliert. Der Baconsche Flügel machte sich also in dieser Richtung ans Werk und bemühte sich, alle Initiierten, die er verzweifelt zu kontaktieren suchte, auf seine Seite zu ziehen.
    Zur gleichen Zeit, und das war sicher kein bloßer Zufall, schrieb Salomon de Caus, der Mann der Rosenkreuzer, für Kardinal Richelieu ein Traktat über Sonnenuhren. Danach begann, mit Galilei einsetzend, eine hektische Forschung über Pendel. Als Vorwand diente die Frage, wie man Pendel zur Bestimmung der

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