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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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ihnen die fixeste seiner fixen Ideen, von der er partout nicht lassen wollte, nämlich daß der König der Welt kein anderer sein könne als der König von Frankreich. Ignatius war ein Heiliger, aber ein Spanier.
    So war es nach einer Weile zum Bruch gekommen, und Postel hatte die Jesuiten wieder verlassen oder die Jesuiten hatten ihn vor die Tür gesetzt Aber wenn Postel einmal Jesuit gewesen war, und sei's nur für kurze Zeit, muß er Ignatius — dem er Gehorsam perinde ac cadaver geschworen hatte — auch seine Mission anvertraut haben. Lieber Ignatius, muß er gesagt haben, wisse, daß du, wenn du mich aufnimmst, auch das Geheimnis des Großen Planes der Templer mit aufnimmst, deren französischer Repräsentant zu sein ich unverdienterweise die Ehre habe, und da wir ohnehin alle auf das dritte Jahrhunderttreffen anno Domini 1584 warten, können wir ebenso gut auch ad maiorem Dei gloriam darauf warten.
    So also haben die Jesuiten durch Postel, in einem seiner schwachen Momente, vom Geheimnis der Templer erfahren. Ein solches Geheimnis muß ausgenutzt werden. Ignatius geht in die ewige Seligkeit ein, aber seine Nachfolger bleiben wachsam und behalten Postel im Auge. Sie wollen wissen, mit wem er sich in jenem Schicksalsjahr 1584 treffen wird. Doch leider stirbt er drei Jahre vorher, und es hilft auch nichts, daß — wie eine unserer Quellen versichert — ein unbekannter Jesuit an seinem Totenbett steht. Die Jesuiten wissen nicht, wer sein Nachfolger ist.
    »Entschuldigung, Casaubon«, wandte Belbo ein, »aber da scheint mir etwas nicht aufzugehen. Wenn die Dinge so liegen, haben die Jesuiten doch nicht wissen können, daß das Treffen von 1584 gescheitert ist.«
    »Man darf aber auch nicht vergessen«, gab Diotallevi zu bedenken, »daß diese Jesuiten nach allem, was mir die Gojim erzählen, Männer von Eisen waren, die sich nicht so leicht verschaukeln ließen.«
    »Ach, wenn's darum geht«, sagte Belbo, »ein Jesuit verspeist zwei Templer zu Mittag und zwei zu Abend. Auch sie sind aufgelöst worden, und mehr als einmal, sie hatten die Regierungen in ganz Europa gegen sich, und trotzdem sind sie immer noch da.«
    Man musste sich in die Lage der Jesuiten versetzen. Was tut ein Jesuit, wenn ihm einer wie Postel entwischt ist? Mir kam eine Idee, die allerdings so diabolisch war, daß nicht einmal unsere Diaboliker, dachte ich, sie geschluckt hätten: Die Rosenkreuzer sind eine Erfindung der Jesuiten!
    »Wie wär's mit folgendem«, schlug ich vor. »Als Postel gestorben ist, sehen die Jesuiten, scharfsinnig wie sie sind, das Durcheinander mit den Kalendern voraus und ergreifen die Initiative. Sie setzen die Mystifikation der Rosenkreuzer in die Welt und kalkulieren richtig, was dann passieren wird. Unter den vielen Schwarmgeistern, die anbeißen, wird auch der eine oder andere von den echten Kerngruppen sein, der sich überrumpelt zu erkennen gibt. Man stelle sich vor, wie wütend Bacon in so einem Fall gewesen sein muß: Fludd, du Idiot, konntest du nicht das Maul halten? Aber Viscount my Lord, die klangen doch wie die unseren... Narr, hat man dich nicht gelehrt, den Papisten zu misstrauen? Dich hätten sie verbrennen sollen, nicht jenen Unglücklichen aus Nola!«
    »Aber wieso«, fragte Belbo, »sind dann die Rosenkreuzer, als sie sich nach Frankreich verlagerten, von den Jesuiten — oder von jenen katholischen Polemikern, die für sie arbeiteten — als Häretiker und Teufelsschüler attackiert worden?«
    »Glauben Sie etwa, die Jesuiten gingen geradlinig vor? Was wären das dann für Jesuiten?«
    Wir hatten uns lange über meinen Vorschlag gestritten und uns schließlich darauf geeinigt, die ursprüngliche Hypothese besser zu finden: Die Rosenkreuzer waren der Köder, den die Baconianer und die Deutschen den Franzosen hingeworfen hatten. Aber kaum waren die ersten Manifeste erschienen, hatten die Jesuiten das Spiel durchschaut. Und hatten sich unverzüglich eingemischt, um die Karten durcheinanderzubringen. Ihr Ziel war offensichtlich, das Treffen der englischen und deutschen Gruppe mit der französischen zu verhindern, wozu ihnen jedes Mittel recht war, auch das gemeinste.
    Und derweil registrierten sie Nachrichten, sammelten Informationen und speicherten sie... wo? In Abulafia, scherzte Belbo. Aber Diotallevi, der sich inzwischen eigene Informationen verschafft hatte, sagte, das sei durchaus kein Scherz. Zweifellos waren die Jesuiten dabei, den enormen Elektronenrechner zu konstruieren, der imstande sein

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