Das Foucaultsche Pendel
nicht-baconischen Gruppen zu liquidieren.
An diesem Punkt aber mussten wir einer anderen Tatsache Rechnung tragen, die sich der arme Agliè nicht erklären konnte: Wieso hatte sich de Maistre, ein Mann der Jesuiten, auf dem Konvent von Wilhelmsbad eingemischt, und das gut sieben Jahre vor dem Auftauchen des Marquis de Luchet, um Zwietracht unter den Neutemplern zu säen?
»Der Neutemplerismus lief gut und nach den Wünschen der Jesuiten in der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts«, erklärte Belbo, »und er lief immer schlechter, als das Jahrhundert zu Ende ging. Erstens, weil sich die Revolutionäre seiner bemächtigt hatten, für die alles recht war, von der Göttin Vernunft bis zum Höchsten Wesen, solange nur der König geköpft wurde, siehe Cagliostro, und zweitens, weil sich in Deutschland die Fürsten eingemischt hatten, voran Fridericus von Preußen, deren Ziele sicherlich nicht mit denen der Jesuiten übereinstimmten. Und als der mystische Neutemplerismus, wer immer ihn auch erfunden hatte, dann schließlich die Zauberflöte hervorbrachte, war klar, daß die Mannen Loyolas beschlossen, ihn loszuwerden. Das ist wie in der Finanzwelt: Man kauft eine Firma, stößt sie wieder ab, liquidiert sie, lässt sie bankrott gehen oder gibt ihr eine Kapitalspritze, je nachdem, welchen Generalplan man hat, und dabei kümmert man sich einen Dreck darum, was aus dem Portier wird. Oder wie mit einem Auto: Man fährt es, solange es funktioniert, und dann ab auf den Schrott.«
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Im wahren maurerischen Kodex wird man keinen anderen Gott finden... als den von Mani. Er ist der Gott des kabbalistischen Maurers und der alten Rosenkreuzer; er ist der Gott des martinistischen Maurers... Im übrigen sind alle den Templern zugeschriebenen Infamien genau diejenigen, die man einst den Manichäern zuschrieb.
Abbé Barruel, Mémoires pour servir à l’histoire du jacobinisme, Hamburg 1798,2, XIII
Die Strategie der Jesuiten wurde uns klar, als wir den Abbé Barruel entdeckten. Dieser schrieb in den Jahren 1797-98, als Antwort auf die Französische Revolution, seine Mémoires pour servir à l’histoire du jacobinisme, einen regelrechten Abenteuerroman, der bezeichnenderweise mit den Templern beginnt: Nach dem Feuertod von Jacques de Molay verwandeln die Templer sich in eine Geheimgesellschaft mit dem Ziel, Monarchie und Papsttum abzuschaffen und eine Weltrepublik zu errichten. Im achtzehnten Jahrhundert bemächtigen sie sich der Freimaurerei und machen sie zu ihrem Werkzeug. 1763 gründen sie eine literarische Akademie, bestehend aus Leuten wie Voltaire, Turgot, Condorcet, Diderot und d'Alembert, die sich im Hause des Barons d'Holbach treffen und — Komplott, Komplott — 1776 die Jakobiner hervorbringen. Welche ihrerseits Marionetten in der Hand der wahren Oberen sind, nämlich der bayerischen Illuminaten, die Tag und Nacht nur auf Königsmord sinnen.
Von wegen ab auf den Schrott. Nachdem sie die Freimaurerei erst mit Hilfe von Ramsay in zwei Teile gespalten haben, vereinigen die Jesuiten sie nun wieder, um sie frontal zu schlagen.
Barruels Denkschrift hatte eine gewisse Wirkung gehabt, fanden sich doch in den französischen Staatsarchiven mindestens zwei von Napoleon angeforderte Polizeiberichte über die klandestinen Sekten. Verfasser dieser Berichte war ein gewisser Charles de Berkheim, der nichts Besseres zu tun wusste — wie alle Geheimdienstler, die sich ihre Informationen immer nur dort holen, wo sie schon veröffentlicht sind —, als zuerst das Buch des Marquis de Luchet und dann das von Barruel abzuschreiben.
Angesichts dieser das Blut gefrierenmachenden Beschreibung der Illuminaten und dieser hellsichtigen Anprangerung eines Direktoriums Unbekannter Oberer mit der Fähigkeit, die Welt zu beherrschen, zögerte Napoleon nicht und beschloss, einer der ihren zu werden. Er ließ seinen Bruder Joseph zum Großmeister des Grand Orient ernennen und nahm selbst, wie von vielen Quellen bezeugt wird, Kontakte zu den Freimaurern auf, ja, nach Auskunft anderer Quellen gelangte er in ihren Reihen sogar zu höchsten Würden. Unklar ist nur, nach welchem Ritus. Vielleicht sicherheitshalber nach allen.
Wie viel Napoleon gewusst haben mochte, wussten wir nicht, aber wir vergaßen auch nicht, daß er eine Zeit lang in Ägypten gewesen war, und wer weiß, mit welchen Weisen er dort im Schatten der Pyramiden gesprochen hatte (und hier begreift auch ein Kind, daß die berühmten vierzig Jahrhunderte, die auf ihn herabsehen,
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