Das fremde Haus
»Cambridge« in das Feld für den Ort ein und klicke in der Spalte »Immobilien suchen« auf »Kaufen«. Ein neues Fenster erscheint und bietet mir weitere Wahlmöglichkeiten. Ich arbeite mich ungeduldig hindurch – Suchradius: nur dieser Ort; Immobilienart: Einfamilienhaus; Anzahl der Schlafzimmer: egal; Kaufpreis: egal; seit wann auf dem Markt? Wann wurde Bentley Grove 11 wohl dem Makler übergeben? Ich klicke auf »in den letzten sieben Tagen«. Das Verkaufsschild, das ich heute auf dem Grundstück gesehen habe – oder vielmehr gestern, da es jetzt Viertel nach eins ist –, stand vor einer Woche noch nicht da.
Ich klicke auf »Suchen«, trommle mit meinen bloßen Füßen auf den Boden und schließe kurz die Augen. Als ich sie wieder öffne, sind mehrere Häuser auf dem Monitor zu sehen: ein Haus in der Chaucer Road für 4 Millionen Pfund und eins in der Newton Road für 2,3 Millionen. Ich kenne beide Straßen, sie gehen von der Trumpington Road ab, und der Bentley Grove ist ganz in der Nähe. Sie sind mir auf meinen vielen Fahrten nach Cambridge aufgefallen, von denen keiner etwas weiß.
Bentley Grove 11 ist das dritte Haus auf der Liste. Angeboten wird es für 1,2 Millionen Pfund. Es überrascht mich, dass es so teuer ist. Das Haus ist relativ groß, aber nichts Spektakuläres. Offensichtlich gilt dieser Teil von Cambridge als bevorzugte Lage, obwohl die Gegend auf mich immer einen ziemlich normalen Eindruck gemacht hat und der Verkehr auf der Trumpington Road häufiger stockt als fließt. Es gibt einen Waitrose-Supermarkt, ein indisches Restaurant, einen gehobenen Weinladen und etliche Immobilienmakler. Und etliche enorm teure Villen. Wenn der Preis für alle Häuser in diesem Teil der Stadt in die Millionen geht, bedeutet das doch, es muss genug Leute geben, die es sich leisten können, so viel zu bezahlen. Wer sind diese Leute? Sir Cliff Richard kommt mir in den Sinn, keine Ahnung warum. Wer sonst noch? Leute, denen Fußballvereine gehören oder die Ölquellen im Garten haben? Ganz bestimmt nicht ich oder Kit, und bei uns läuft es so gut, geschäftlich gesehen, wie wir es uns nur erhoffen können.
Ich schüttle diese Gedanken ab. Du bist doch verrückt. Du solltest jetzt schlafen, aber stattdessen hockst du im Dunklen über einen Computer gebeugt und fühlst dich Cliff Richard unterlegen. Reiß dich am Riemen, Frau!
Um die Details aufzurufen, klicke ich das Bild des Hauses an, das ich so gut kenne und doch überhaupt nicht. Ich glaube, kein Mensch auf der Welt hat so viel Zeit damit zugebracht, auf die Front dieses Hauses zu starren wie ich. Ich kenne jeden Ziegel. Es ist seltsam, schockierend fast, ein Foto des Hauses auf meinem Computer zu sehen – in meinem Haus, wo es nicht hingehört.
Du lädst dir den Feind ins Haus ein …
Es gibt keinen Feind, sage ich mir entschieden. Sei vernünftig, bring es hinter dich und geh wieder ins Bett.
Kit hat angefangen zu schnarchen. Gut. Ich habe keine Ahnung, was ich sagen soll, wenn er mich bei dieser Aktion erwischen würde, die sicherlich starke Zweifel an meiner geistigen Gesundheit aufkommen lässt.
Die Seite wird geladen. Ich habe kein Interesse an dem großen Foto links, das von der anderen Straßenseite aufgenommen wurde. Was ich sehen will, ist das Innere des Hauses. Eins nach dem anderen klicke ich die kleinen Bilder auf der rechten Seite des Bildschirms an, um sie zu vergrößern. Erst eine Küche mit Arbeitsflächen aus Holz, eine doppelte Spüle, blau gestrichene Fronten, eine Insel mit Holzplatte und blauen Fronten …
Kit hasst Kücheninseln. Er findet sie hässlich und angeberisch – ein aus den USA importierter affektierter Wohntrend. Bald werden sie so out sein wie avocadogrüne Badezimmer, sagt er. In unserem Haus stand auch eine Kücheninsel, die hatte er schon vierzehn Tage nach unserem Einzug entsorgt, um dann bei einem Tischler aus der Gegend einen großen runden Eichentisch in Auftrag zu geben.
Die Küche, auf die ich jetzt schaue, kann also nicht Kits Küche sein, nicht, wenn eine Insel darin steht.
Natürlich ist das nicht Kits Küche. Kits Küche ist unten – und zufällig auch unsere gemeinsame Küche.
Ich klicke ein Bild des Wohnzimmers an. Ich habe es schon einmal gesehen, wenn auch nur kurz. Bei einem meiner Besuche war ich so mutig – oder so dämlich, wie man’s nimmt –, das Gartentor zu öffnen, den langen Weg hochzugehen, der auf beiden Seiten von Lavendel gesäumt ist und den Vorgarten in zwei Teile teilt, um
Weitere Kostenlose Bücher