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Das fremde Haus

Das fremde Haus

Titel: Das fremde Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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selbst durchs Haus zu gehen, in jedes Zimmer zu sehen? Ja, das würde ich gerne tun.
    Damit werde ich mich dann auch zufriedengeben.
    Ich drücke auf den Button und warte darauf, dass der Rundgang lädt. Ein neuer Button erscheint: »Video«. Ich klicke ihn an. Zuerst wird die Küche gezeigt. Ich sehe das, was ich bereits auf dem Foto gesehen habe, und noch etwas mehr, als die Kamera mit einer 360-Grad-Drehung den übrigen Raum erfasst. Es folgt noch eine Drehung und noch eine. Das schnelle Rotieren macht mich schwindelig, als wäre ich auf einem Karussell, das nicht anhalten will. Ich schließe die Augen, ich brauche eine Pause. Ich bin so müde. Die Fahrt nach Cambridge und zurück fast jeden Freitag tut mir nicht gut. Nicht die körperliche Anstrengung laugt mich aus, sondern die Heimlichtuerei. Ich muss nach vorne schauen, endlich loslassen.
    Als ich die Augen wieder öffne, ist alles voll roter Farbe. Erst weiß ich gar nicht, was ich da sehe, und dann … O Gott. Das kann nicht sein. Scheiße. O Gott. Blut. Eine Frau liegt mitten im Raum, mit dem Gesicht auf dem Boden, und auf dem beigen Teppich ist Blut, eine riesige Blutlache. Kurz denke ich in meiner Panik, dass es mein Blut ist. Ich schaue an mir hinunter. Kein Blut . Natürlich nicht – das ist nicht mein Teppichboden, das ist nicht mein Haus. Sondern Bentley Grove 11. Das Wohnzimmer, es dreht sich. Der Kamin, die gerahmte Landkarte darüber, die Tür zum Flur steht offen …
    Die tote Frau, das Gesicht in einem Meer von Rot. Als wäre alles Blut, das in ihr war, aus ihr herausgequetscht worden, jeder einzelne Tropfen …
    Ich gebe einen Laut von mir, der ein Schrei sein könnte. Ich versuche, Kits Namen zu rufen, aber es gelingt mir nicht. Wo ist das Telefon? Nicht auf der Ladestation. Wo ist mein Blackberry? Soll ich 999 anrufen? Keuchend strecke ich die Hand nach irgendetwas aus, ich weiß nicht genau nach was. Ich kann den Blick nicht vom Bildschirm wenden. Dort dreht sich immer noch das Blut, die Tote dreht sich langsam. Die Frau muss tot sein, es muss Blut sein. Nach außen hin rot, fast schwarz in der Mitte. Schwarzrot, dick wie Teer. Mach, dass es aufhört, sich zu drehen.
    Ich stehe auf und werfe meinen Stuhl um. Mit einem dumpfen Aufschlag landet er auf den Boden. Ich weiche von meinem Schreibtisch zurück, will nur noch weg. Raus hier, raus hier, schreit eine Stimme in meinem Kopf. Ich stolpere in die falsche Richtung, ich bin nicht einmal in der Nähe der Tür. Sieh nicht hin. Nicht mehr hinsehen . Ich kann nicht anders. Mein Rücken stößt gegen die Wand, etwas Hartes drückt sich in meine Haut. Ich höre ein Krachen und trete auf etwas, das knirscht. Ein stechender Schmerz jagt durch meine Fußsohlen. Ich schaue hinunter und sehe zersplittertes Glas. Blut. Mein Blut diesmal.
    Irgendwie schaffe ich es, aus dem Raum zu kommen und die Tür hinter mir zu schließen. Besser. Jetzt ist etwas zwischen dem und mir. Kit. Ich brauche meinen Mann. Ich stürze in unser Schlafzimmer, schalte das Licht ein und breche in Tränen aus. Wie kann er es wagen zu schlafen? »Kit!«
    Er stöhnt. Blinzelt. »Licht aus«, murmelt er, benommen vom Schlaf. »Scheiße, was is’ los? Wie spät ist es?«
    Ich stehe weinend da, und meine Füße bluten auf den weißen Teppich.
    »Con?« Kit setzt sich schwerfällig auf und reibt sich die Augen. »Was ist los? Was ist passiert?«
    »Sie ist tot«, sage ich zu ihm.
***
    »Wer ist tot?« Er ist jetzt hellwach. Er langt unter das Bett, greift nach seiner Brille und setzt sie auf.
    »Ich weiß nicht! Eine Frau«, schluchze ich. »Auf dem Computer.«
    »Was für eine Frau? Wovon redest du?« Er wirft die Bettdecke von sich und steht auf. »Deine … Was hast du mit deinen Füßen angestellt? Sie bluten.«
    »Ich weiß nicht.« Mehr bringe ich nicht heraus. »Ich habe einen virtuellen …« Es fällt mir schwer, zu atmen und gleichzeitig zu sprechen.
    »Sag mir nur, dass es allen gut geht. Deiner Schwester, Benji …«
    »Was?« Meine Schwester? »Es hat nichts mit ihnen zu tun, es ist eine Frau. Ich kann ihr Gesicht nicht sehen.«
    »Du bist ja weiß wie ein Laken, Con. Hattest du einen Albtraum?«
    »Auf meinem Laptop. Sie ist dort, jetzt«, schluchze ich. »Sie ist tot. Sie muss tot sein. Wir sollten die Polizei rufen.«
    »Schatz, da ist keine tote Frau auf deinem Laptop.« Kit will mich beruhigen, aber ich höre die Ungeduld aus seiner Stimme heraus. »Du hast schlecht geträumt.«
    »Geh doch hin und sieh selbst!«,

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