Das fünfte Buch: Neue Lebensläufe. 402 Geschichten (German Edition)
SS -Wache hatte für die Auslieferung ihres Gefangenen an die Soldatentruppe praktisch nichts erhalten außer der Möglichkeit, weiterzumachen.
Wenn der glückliche Bachmüller, der nach 1949 eine Fabrik für Heftpflaster erfolgreich eröffnet hatte, den Film SPARTAKUS sah – und das tat er zwölfmal –, meinte er zu spüren, daß in der Welt inzwischen Nachkommen seines Weißrussen leben müßten. Vielleicht in Australien oder in den USA . Vermutlich arbeitete ein Nachfahre des Geretteten als Söldner oder als Schiffseigner im Kongo. So erlebte Bachmüller beim Anschauen des Films ein Stück »weite Welt«, nahm Eindrücke wahr, die er bei keinem der Eroberungszüge der Wehrmacht je empfunden hatte. Er war König großer Romane, ja in einem gewissen Sinne doch mit diesen blauen Augen (Härte, Macht und Untreue signalisierend) verknüpft. Dem Gefangenen enger verbunden als gedacht, wenn er als Erzeuger von dessen Geschlechterfolge ohne seine Tat nicht hinwegzudenken war. So war, bei aller Differenz zur Gleichgeschlechtlichkeit, die unbedingt zu vermeiden war, eine virtuelle erotische Berührung zu verzeichnen, befremdlich und befriedigend für Bachmüller, besser als jeder ihm bekannte ausgeführte Geschlechtsverkehr, der in diesem Falle, wie er sich sagte, seinerzeit von strengen Strafen bedroht gewesen wäre. Es war kein körperlicher, es lag ein geistiger Genuß in jenem Einfall (und Augeneindruck der blauen Augen des Verhafteten); das war etwas Bleibendes, weil spirituell. Und ich kann versichern, so Bachmüller, es war ein spontaner Entschluß, kein moralischer.
Er schwor bei sich selbst, während des Kinobesuchs des Films SPARTAKUS , bei dem er in seiner Einbildung Kirk Douglas durch das Bild des von ihm gezeugten Weißrussen ersetzte, einen heiligen Eid, daß er künftig nie irgendwelcher Zeitgeschichte vertrauen, niemandem die geheime Geschichte seines Glücks erzählen und immer in der Hoffnung der unmittelbaren göttlichen Hilfen leben und sterben wolle, die aus dem Mut folgt, in dem man die Stimme seines Herzens (voller Vorurteile und doch in frischer Ahnung) hört.
Zwei Träumerinnen stiften Verwirrung am Freitag abend
Die Ermittler im Dezernat für Entführungsfälle, zuständig für das Rhein-Main-Gebiet bis nach Wiesbaden hin, hatten sich schon auf einen geselligen Freitag abend vorbereitet. Da wurden sie alarmiert. Im Städtischen Klinikum Frankfurt-Hoechst war ein Neugeborenes gestohlen worden. Frenzi F. hatte, als Schwester verkleidet, der Wöchnerin Z. das Kind abgenommen, das (nach dem Willen der Mutter) später einmal den Namen Zinat tragen sollte. Unter dem Vorwand, das Neugeborene werde für eine Untersuchung gebraucht, hatte sie das Kind übernommen und war dann nicht wiedergekehrt. Das geschah wenige Stunden nach der Geburt. Die Auskünfte der Wöchnerin blieben verwirrt.
Die Ermittler veranlaßten eine sofortige Suche im Umfeld des Klinikums mit Hubschraubern, die von Wiesbaden-Erbenheim heranbeordert waren. Es gab kleine Waldstücke. Die erfahrenen Polizisten hofften, Hinweise auf den Fluchtweg zu finden. Sie fertigten Zeichnungen an, auf welchen die möglichen Bewegungen einer Frau mit Baby vom Klinikum in Richtung Stadt oder aber in die Wildnis aufgeführt waren. Irgendein Ziel mußte die Täterin haben.
Die junge Frau hatte alle getäuscht: die, welche ihr fremd waren, und auch die Person, mit der sie zusammenlebte. Sie hatte einen aggressiven Täterwillen und doch kein Glück gehabt.
Nach einer künstlichen Befruchtung hatte die 28jährige Frenzi F. eine Fehlgeburt erlitten, ihrer Lebensgefährtin dann aber eine zweite Schwangerschaft vorgetäuscht. Unbedingt wollten die beiden Frauen ihre Zweisamkeit mit einem gemeinsam aufzuziehenden Kind krönen. Die beiden Frauen lebten in einem Vorort von Frankfurt am Main.
Die Dämmerung fiel herein. Mit starken Scheinwerfern leuchteten die Helikopter nach unten, sie fokussierten punktuelle Orte. Über Rundfunk und in der Abendpresse war zu öffentlicher Aufmerksamkeit aufgerufen worden.
Dann kam gegen 21 Uhr der befreiende Hinweis. Nachbarn der beiden Lebensgefährtinnen hatten Verdacht geschöpft. Wie kam ein Kleinkind in deren Wohnung? Küche und eines der Zimmer waren von den Nachbarwohnungen aus einzusehen. Sie meldeten ihre Beobachtung der Polizei.
Die Täterin, erzählte gegen Mitternacht einer der Ermittler in seiner Stammrunde in Sachsenhausen (die Sache war infolge der Veröffentlichungen kein Dienstgeheimnis mehr), hatte um
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