Das fünfte Zeichen
Lønn stimmten zu, was das Labor, nicht aber, was den Fußabdruck oder die Jackenfaser betraf.
» Lønn. «
» Hallo Beate, hier ist Bjarne Møller. Störe ich? «
» Natürlich. Was gibt ’ s? «
Møller erklärte ihr kurz die Sachlage und gab ihr die Adresse. » Ich schicke auch zwei von meinen Jungs «, fügte er hinzu.
» Wen? «
» Mal sehen, wen ich finde, du weißt ja, Urlaubszeit. «
Møller legte auf und fuhr mit dem Finger weiter nach unten.
Er stoppte bei dem Namen Tom Waaler.
Die Rubrik » Urlaub « war leer, was Bjarne Møller nich t w eiter verwunderte. Man konnte leicht das Gefühl bekommen, Haup t kommissar Tom Waaler mache niemals Ferien, ja, er schlafe kaum. Als Ermittler war er eines der beiden Asse der Abteilung. Immer zur Stelle, immer einsatzfreudig und fast immer mit den entsprechenden Resultaten. Und im Gegensatz zu dem anderen Superermittler war Tom Waaler verlässlich, hatte eine blitzsa u bere Akte und wurde von allen respektiert. Kurz gesagt: ein Traum von einem Untergebenen. Und bei Toms unbezweifelb a ren Führungseigenschaften war es wohl nur eine Frage der Zeit, bis er Møllers Job als Leiter des Dezernats übernehmen würde.
Das Klingeln hallte durch die dünnen Wände.
» Waaler «, antwortete eine klangvolle Stimme.
» Møller hier, wir … «
» Einen Augenblick, Bjarne. Ich muss eben erst ein anderes Gespräch beenden. «
Bjarne Møller trommelte beim Warten mit den Fingern auf die Tischplatte. Tom Waaler konnte der jüngste Dezernatsleiter werden, der jemals dem Morddezernat vorgestanden hatte. War es das, was Møller manchmal zweifeln ließ, wenn er daran dachte, Tom eines Tages die Verantwortung zu übertragen? Oder waren es die zwei Fälle, bei denen Waaler in einen Schusswechsel geraten war? Beide Male hatte der Hauptko m missar bei einer Festnahme zur Waffe gegriffen und als einer der besten Schützen der Polizei tödliche Treffer gelandet. Aber Møller wusste auch, dass es paradoxerweise gerade diese beiden Episoden sein konnten, die bei der Ernennung des neuen Leiters die Entscheidung zu Toms Gunsten beeinflussen mochten. Die internen Ermittlungen hatten nichts zutage gefördert, was dem widersprach, dass Tom Waaler zur Selbstverteidigung gescho s sen hatte. Im Gegenteil. Es war vielmehr festgehalten worden, dass er die Situation richtig eingeschätzt und in einer äußerst kritischen Lage Tatkraft bewiesen hatte. Konnte es ein besseres Zeugnis für jemanden geben, der sich um eine leitende Stellung bewarb?
» Tut mir Leid, Møller, das Handy. Womit kann ich dienen? «
» Wir haben einen Fall. «
» Endlich. «
Der Rest des Gesprächs war in weniger als zehn Sekunden erledigt. Jetzt fehlte ihm nur noch der zweite Mann. Møller hatte an Kriminalassistent Halvorsen gedacht, doch auf der Liste stand, dass der zu Hause in Steinkjer Urlaub machte.
Er fuhr mit dem Finger weiter nach unten. Urlaub, Urlaub, krank.
Der Dezernatsleiter seufzte tief, als sein Finger bei einem Namen stoppte, den er zu umgehen gehofft hatte.
Harry Hole.
Der Eigenbrötler. Der Alkoholiker. Das Enfant terrible der Abteilung. Aber –neben Tom Waaler –tatsächlich der beste Ermittler der sechsten Etage. Hätte Bjarne Møller mit den Jahren nicht eine geradezu perverse Lust entwickelt, seinen Hals für diesen groß gewachsenen Polizisten mit dem Alkoholpro b lem zu riskieren, Harry Hole wäre längst aus dem Polizeidienst geflogen. Normalerweise hätte er Harry als Erstes angerufen, um ihm den neuen Fall zu übertragen, aber die Lage war nicht normal.
Oder genauer gesagt: Sie war nur allzu normal.
Vier Wochen zuvor hatten sich die Ereignisse überschlagen, nachdem Harry im Winter noch einmal den alten Mordfall an Ellen Gjelten aufgerollt hatte, Harrys engster Kollegin. Seit sie am Ufer des Akerselva erschlagen worden war, hatte er das Interesse an allen anderen Fällen verloren. Das Problem dabei: Der Fall » Ellen « war seit langem aufgeklärt. Doch Harry verfolgte ihn so manisch, dass sich Møller ernsthaft Sorgen um Harrys geistige Gesundheit machte. Der Gipfel war, als Harry vor einem Monat in sein Büro gestürmt war und ihm eine haarsträubende Verschwörungstheorie aufgetischt hatte. Aber als es hart auf hart kam, konnte er seine phantasievollen Vo r würfe gegen Tom Waaler weder beweisen noch untermauern.
Und dann war Harry einfach verschwunden. Nach ein paar Tagen hatte Møller im Restaurant Schrøder angerufen und bestätigt bekommen, was er befürchtet hatte: Harry
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