Das Fulcanelli-Komplott (German Edition)
Holzvertäfelung an den Wänden, die Lesetische und die hohen Galerien voller ledergebundener Folianten. Eine mit kostbaren Fresken aus der Artuslegende verzierte Deckenkuppel, deren Seiten kleine Rosettenfenster aufwiesen, dominierte den prachtvollen Raum.
«Benedict!», rief eine Stimme hinter ihm. Er drehte sich um und erblickte Jonathan Rose, der stämmiger, grauer und kahler geworden war. Dennoch war es unverwechselbar der Geschichtspapst, den er seit so vielen Jahren kannte. Rose eilte ihm freudig über die gebohnerten Dielen entgegen, um ihm die Hand zu schütteln.
«Wie geht es Ihnen, Professor? Lange nicht gesehen.»
Sie setzten sich in zwei der abgewetzten ledernen Lehnsessel und ergingen sich minutenlang in Smalltalk. Für den Professor hatte sich wenig verändert – das akademische Leben in Oxford verlief mehr oder weniger genauso wie seit eh und je. «Ich muss gestehen, ich war ein wenig überrascht, nach all diesen Jahren von Ihnen zu hören, Benedict. Welchem Umstand verdanke ich dieses Vergnügen?»
Ben erklärte ihm den Anlass für seinen Besuch und beendete seine Ausführungen mit den Worten: «… und dann fiel mir ein, dass ich einen der bedeutendsten Gelehrten des Landes für alte Geschichte kenne.»
«Nennen Sie mich nur nicht einen alten Gelehrten , wie es die meisten meiner Studenten heutzutage tun», entgegnete Rose lächelnd. «Sie interessieren sich also für Alchemie, hm?» Er hob die Augenbrauen und schielte Ben über den Rand seiner Brille hinweg an. «Ich hätte nicht gedacht, dass derartige Dinge Ihre Kragenweite sind. Sie sind doch wohl nicht einer von diesen New-Age-Typen geworden, oder?»
Ben lachte. «Ich bin Schriftsteller, Professor. Ich stelle einige Nachforschungen an, das ist alles.»
«Schriftsteller? Gut, sehr gut. Was sagten Sie gleich, wie der Name dieses Mannes lautet? Fracasini?»
«Fulcanelli.»
Rose schüttelte den Kopf. «Kann nicht sagen, dass ich ihn je gehört hätte. Ich bin nicht der richtige Mann, um Ihnen weiterzuhelfen, wissen Sie? Es ist ein etwas weit hergeholtes Thema für altmodische Gelehrte wie uns, selbst in diesem Post-Harry-Potter-Zeitalter.»
Die Worte versetzten Ben einen Stich. Er hatte von Anfang an keine große Hoffnung gehegt, dass Jonathan Rose ihm viel über Fulcanelli würde erzählen können, ganz zu schweigen über ein geheimnisvolles Fulcanelli-Manuskript. Doch angesichts der wenigen Informationen war das Fehlen einer verlässlichen Quelle bitter und seine Enttäuschung riesengroß. «Können Sie mir wenigstens etwas über Alchemie im Allgemeinen erzählen?»
«Wie ich bereits sagte, es ist nicht mein Gebiet», antwortete Rose. «Ich neige im Gegenteil wie die meisten ernsthaften Gelehrten dazu, Alchemie als völligen Hokuspokus abzutun.» Er lächelte. «Auch wenn ich einräumen muss, dass nur wenige esoterische Kulte die Jahrhunderte so wohlbehalten überstanden haben. Seit den Tagen des alten Ägyptens und Chinas, durch die dunklen Jahre des Mittelalters und die Renaissance hindurch … Es ist eine Untergrundströmung, die während der gesamten Geschichte immer wieder auftaucht.» Der Professor lehnte sich in seinem Ledersessel zurück, während er sprach, und nahm die ihm eigene, zur zweiten Natur gewordene Lehrerpose ein. «Und das, obwohl der Himmel allein weiß, was sie eigentlich verfolgt – oder zu verfolgen glaubt. Die Verwandlung von Blei in Gold, meine Güte, oder die Erschaffung magischer Elixiere, Lebenstränke und der ganze Rest.»
«Ich entnehme Ihren Worten, dass Sie nicht an die Möglichkeit eines alchemistischen Elixiers glauben, das imstande ist, Kranke zu heilen?»
Rose runzelte die Stirn. Er bemerkte Bens Gesichtsausdruck und fragte sich, worauf sein einstiger Schüler hinauswollte. «Ich denke, wenn die Alchemie ein Elixier gegen die Pest und die Pocken, gegen Cholera, Typhus und all die anderen Krankheiten entwickelt hätte, die uns im Verlauf der Geschichte immer wieder heimgesucht haben, so würden wir davon wissen.» Er zuckte die Schultern. «Das Problem ist – es ist alles rein spekulativ. Niemand weiß wirklich, was die Alchemisten entdeckt haben könnten. Die Alchemie ist berüchtigt für ihre Unergründlichkeit. All diese Mantel-und-Degen-Geschichten, die geheimen Bruderschaften, Rätsel und Codes und das angebliche geheime Wissen … Ich persönlich denke, dass nicht viel dahintersteckt oder gesteckt hat.»
«Und warum dann die Verschleierung?», fragte Ben. Er musste an die Literatur
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