Das Fulcanelli-Komplott (German Edition)
gefesselt worden, das tief in sein Fleisch schnitt.
Julián stöhnte erneut, als Ben die Fessel vorsichtig mit einer Klinge durchtrennte. Die linke Hand des Jungen war mit einem schmutzigen Stofffetzen voll getrockneten Blutes verbunden. Hoffentlich war es nur der eine Finger, den sie ihm abgeschnitten hatten. Ben hatte schon Schlimmeres gesehen. Viel Schlimmeres.
Die Lösegeldforderung betrug zwei Millionen Euro in gebrauchten Scheinen. Als Beweis dafür, wie ernst sie es meinten, hatten die Kidnapper den abgetrennten Finger in einem Päckchen verschickt. Eine Dummheit wie beispielsweise das Benachrichtigen der Polizei, hatte die Stimme am Telefon gesagt, und das nächste Päckchen würde mehr Körperteile enthalten. Vielleicht einen weiteren Finger, vielleicht seine Hoden. Oder seinen Kopf.
Emilio und María Sánchez hatten die Drohungen ernst genommen. Die zwei Millionen Euro zu beschaffen war kein Problem für das reiche Paar aus Málaga, doch sie wussten nur allzu gut, dass die Zahlung des Lösegelds keineswegs die unbeschadete Rückkehr ihres Sohnes garantierte. Im Vertrag ihrer Kidnapping-Versicherung stand zwar, dass die Verhandlungen unter allen Umständen über offizielle Stellen erfolgen mussten. Doch das hätte bedeutet, die Polizei einzubeziehen – und so Juliáns Todesurteil zu unterschreiben. Eine brauchbare Alternative musste her, um die Chancen für die sichere Heimkehr ihres Sohnes zu erhöhen.
In Fällen wie diesen kam dann Ben Hope ins Spiel, wenn man die richtige Telefonnummer kannte.
Ben rollte den betäubten Jungen von der Pritsche und wuchtete den schlaffen Leib über seine Schulter. Irgendwo hinter dem Haus hatte ein Hund angefangen zu bellen. Ben hörte Geräusche, und irgendwo wurde eine Tür geöffnet. Er hielt den schallgedämpften Browning als Lampe vor sich und trug Julián durch die dunklen Räume, durch die er gekommen war.
Drei Männer, hatte sein Informant ihm verraten. Einer war die meiste Zeit über sturzbetrunken und halb ohnmächtig, doch vor den beiden anderen musste er auf der Hut sein. Ben hatte seinem Informanten geglaubt – wer lügt schon mit der Mündung einer Pistole am Kopf?
Vor ihm öffnete sich eine Tür, und eine Stimme rief etwas Unverständliches. Bens Licht erfasste die Gestalt eines fetten, unrasierten Kerls, der Shorts und ein abgerissenes Unterhemd trug. Sein Gesicht verzerrte sich wegen des hellen Lichtstrahls, der ihm genau in die Augen leuchtete. In den Händen trug er eine abgesägte Schrotflinte. Die breiten Zwillingsläufe waren auf Bens Bauch gerichtet.
Der Browning spie zweimal durch den langen Schalldämpfer. Der gebündelte Lichtstrahl folgte dem zu Boden stürzenden Körper. Der Mann war höchstwahrscheinlich tot, noch bevor er auf dem Boden aufschlug. Er lag still da, mit zwei sauberen Löchern mitten im T-Shirt. Unter ihm bildete sich rasch eine große Blutlache. Ohne nachzudenken, trat Ben zu ihm hin und tat, was er zu tun gelernt hatte, wenn Umstände wie diese eintraten: Vorsichtshalber beendete er den Job mit einem Schuss in den Kopf.
Alarmiert von den Geräuschen, kam der zweite Mann eine Treppe heruntergerannt, eine Taschenlampe in der Hand. Ben feuerte auf das Licht. Ein kurzer Aufschrei, und der Mann stürzte der Länge nach die Stufen hinunter, bevor er Gelegenheit fand, seinen Revolver abzufeuern. Die Waffe schlitterte über den Boden. Ben trat zu dem Mann und stellte sicher, dass auch er sich nicht wieder erhob. Dann wartete er dreißig Sekunden und lauschte auf weitere Geräusche.
Der dritte Mann tauchte nicht auf.
Er war nicht wach geworden.
Dabei sollte es bleiben.
Mit dem bewusstlosen Julián über der Schulter durchquerte Ben das Haus und gelangte in eine heruntergekommene Küche. Die LED-Lampe an seiner Pistole erfasste eine flüchtende Schabe, folgte ihrem Weg quer durch den Raum und blieb an einem alten Herd hängen, der mit einer großen Gasflasche verbunden war. Behutsam ließ er Julián auf einen Stuhl gleiten. Dann kniete er in der Dunkelheit neben dem Herd nieder und durchtrennte mit seinem Messer den Gummischlauch an der Rückseite des Ofens. Er benutzte eine leere Bierkiste, um das Ende des Schlauchs an der Seite der kalten Gasflasche zu verkeilen. Dann öffnete er das Drehventil auf der Oberseite der Flasche ein wenig und zündete sein Feuerzeug an. Der schwach zischende Gasstrom entzündete sich in einer kleinen gelben Flamme. Ben drehte das Ventil weiter auf. Aus der Flamme wurde ein brüllender Strahl
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