Das Geflecht
für ein Klo.»
Dana lachte verlegen. «Du auch?»
«Tja … entweder warten wir, bis die beiden aus ihrem Koma aufwachen, oder wir kraxeln mal schnell die Sechzig-Meter-Leiter hinauf und schlagen uns draußen in die Büsche.»
«Also, so lange warte ich auf keinen Fall!»
«Ich auch nicht.» Suchend sah Finn sich um, wobei sein Blick auf den schmalen Durchgang im hinteren Teil der Kammer fiel. «Hey! Sagte Justin nicht, dass das ein toter Gang ist?»
«Du meinst …?»
Finn nickte. «Geh du ruhig zuerst. Nimm am besten die Lampe mit.»
Dana erschrak. Nur zu gern hätte sie ihre Blase erleichtert, aber der Gedanke, ganz allein in den finsteren Gang zu gehen und womöglich außer Rufweite zu kommen, erschreckte sie. Am liebsten hätte sie Finn gebeten, sie zu begleiten, doch es war ihr peinlich.
«Nein, geh du zuerst!», gab sie zurück. «Ich … hab’s nicht so eilig.»
Finn zuckte die Achseln, erhob sich und griff nach der Lampe. Beklommen sah Dana zu, wie er in dem dunklen Gang verschwand, wobei er die Lampe im Eingang abstellte, sodass noch Licht in die Kammer herüberdrang.
«Puh, das riecht aber komisch!», hörte sie ihn rufen. «Der Boden ist ganz rutschig … da tropft überall Wasser aus den Wänden.» Er tappte einige Schritte weiter. «Sieh mal an: Hier ist ein Loch im Boden. Würde mich nicht wundern, wenn das tatsächlich mal ein Klo war … Riechen tut’s jedenfalls danach.»
Da gehe ich nicht hinein, beschloss Dana schaudernd. Nie im Leben!
«Justin?» Abermals rüttelte sie ihren Freund, bis er endlich halbwegs zu sich kam und sie verwirrt anblinzelte.
«Was’n los?», lallte er mit schwerer Stimme.
Dana kam nicht zu einer Antwort, denn im selben Augenblick ertönte ein dumpfer Schlag, gefolgt von einem erschrockenen Keuchen. Das Geräusch hallte aus dem dunklen Gang herüber, in dem Finn verschwunden war.
«Hilfe!»
Das war Finns Stimme: Er schrie aus Leibeskräften, gellend vor Angst.
«Hilfe!»
Dana fühlte, wie ihr Puls sich binnen eines Augenblicks auf das Doppelte beschleunigte.
Oh nein … oh nein …
«Justin!» Sie packte seinen Arm. «Um Gottes willen, wach auf!»
«Wer schreit denn da?», raunte Justin benommen, machte jedoch keine Anstalten, sich aufzusetzen. Dana begriff, dass von ihm keine Hilfe zu erwarten war – jedenfalls nicht innerhalb der nächsten zehn Sekunden, und es ging um jeden Augenblick. Notgedrungen sprang sie auf, rannte quer durch die Kammer in den Stolleneingang und griff nach der Lampe.
«Finn! Finn, wo bist du?»
Ihre Beine zitterten, doch sie ignorierte es und drang weiter vor, während das rötliche Licht über Boden und Wände tanzte.
«Dana! Hier!», brüllte Finn, dessen Stimme nicht mehr weit entfernt klang.
Der Korridor war nur wenige Meter lang und endete abrupt. Geröll häufte sich in den Ecken, und die umgebenden Wände waren rissig und von Spalten durchzogen, aus denen Wasser tropfte. Der Boden glänzte feucht und war so rutschig, dass Dana beinahe ins Stolpern geriet.
«Hol mich hier raus!», schrie Finn, nun aus nächster Nähe.
Erst jetzt bemerkte Dana die Öffnung im Boden, ein kreisrundes Loch von knapp einem Meter Durchmesser. Es führtezu einem steilen Schacht, der sich mit einer Neigung von rund sechzig Grad wie eine steinerne Rutschbahn in die Tiefe wand. Finn hing unterhalb der Öffnung, beide Hände um deren Rand gekrallt. Seine Fingerknöchel traten weiß hervor, und in seinem aufwärts gewandten Gesicht stand nackte Todesangst. Unter ihm verlor sich der Schacht in der Dunkelheit, vielleicht zehn Meter tief, vielleicht auch zwanzig oder mehr.
«Ich kann mich nicht mehr festhalten!», schrie er, während er panisch mit den Füßen austrat, ohne an den glatten Wänden Halt zu finden.
«Oh mein Gott …» Dana ließ die Lampe fallen, ging in die Knie und packte seine Handgelenke. Doch ihre Kraft reichte bei weitem nicht, um ihn hinaufzuziehen.
«Justin!», schrie sie über die Schulter nach hinten. «Laura!»
Ihre Stimme überschlug sich. Einige entsetzlich lange Sekunden vergingen, bis in der Kammer am Ende des Gangs Bewegung zu hören war.
«Dana?», drang Justins Stimme herüber.
«Schnell!», brüllte sie, die Silbe zu einem langgezogenen Schrei dehnend.
Im selben Moment spürte sie einen übermächtigen Ruck. Offenbar hatte Finn den Rand der Schachtöffnung losgelassen, um mit letzter Kraft nach ihrem Arm zu greifen – und was dann geschah, ging so schnell, dass sie es kaum
Weitere Kostenlose Bücher