Das gefrorene Licht. Island-Krimi
Frist gesetzt wird. Wir setzen zwei Monate an.« Sie zeigte auf den Brief, den der Mann bereits gelesen hatte und nun an seine Frau weiterreichte. »Danach können wir nicht mehr viel tun. Ich empfehle euch, die Höhe der Briefeinwurfklappe vor Ablauf der Frist zu korrigieren. Wenn das aber nicht möglich ist, und ihr die Tür so belassen wollt, könnt ihr einen Briefkasten aufstellen. Der Schlitz muss sich innerhalb derselben Höhenangaben befinden, wie sie auch für die Einwurfklappe gelten. Falls ihr euch dafür entscheidet, rate ich euch, zur Vermeidung weiteren Ärgers, den Briefkasten mit Hilfe eines Zollstocks aufzustellen.« Sie lächelte dem Ehepaar trocken zu.
Der Mann sah sie scharf an und dachte nach. Plötzlich grinste er schadenfroh. »Okay. Ich verstehe. Wir schicken den Brief, bekommen ein Einschreiben und haben dann zwei Monate, in denen der Briefträger uns die Post zustellen muss, unabhängig von der Höhe der Luke, nicht wahr?« Dóra nickte. Mit triumphierendem Gesicht stand der Mann auf. »Wer zuletzt lacht, lacht am längsten. Ich schicke den Brief jetzt ab, und sobald ich die Frist bekommen habe, werde ich den Briefschlitz runter zur Türschwelle verlegen. Nach Ablauf der Frist stelle ich dann einen Briefkasten auf. Komm, Gerða!«
Dóra brachte die beiden zur Tür, wo sie sich bedankten und verabschiedeten. Der Mann hatte es eilig, den Brief einzuwerfen, damit die zweite Halbzeit seines Kleinkriegs mit dem Postboten eingeläutet werden konnte. Auf dem Weg zurück zu ihrem Schreibtisch schüttelte Dóra den Kopf, verwundert über das Wesen der Menschen. Auf was für Ideen die Leute kamen. Sie hoffte, dass Briefträger gut bezahlt würden, bezweifelte es aber stark.
Dóra hatte sich gerade wieder hingesetzt, als Bragi, der Miteigentümer ihrer kleinen Anwaltskanzlei, seinen Kopf durch die Tür steckte. Er war ein älterer Herr, der sich auf Scheidungen spezialisiert hatte. Dóra konnte sich nicht vorstellen, solche Fälle zu bearbeiten. Ihre eigene Scheidung reichte ihr für den Rest ihres Lebens. Bragi war auf diesem Gebiet jedoch ganz in seinem Element und es gelang ihm hervorragend, die kompliziertesten Fälle zu lösen und die Leute dazu zu bringen, ohne große Reibereien miteinander zu reden. »Na, wie ist es mit dem Briefschlitz gelaufen? Wird das ein Präzedenzfall vor dem Obersten Gerichtshof?«
Dóra lächelte ihm zu. »Nein, sie überlegen es sich nochmal. Wir müssen dran denken, die Rechnung mit einem Kurier zu schicken. Es ist völlig unklar, ob sie noch Post zugestellt bekommen.«
»Ich hoffe sehr, dass sie das kapieren«, sagte Bragi und rieb seine Handflächen gegeneinander. »Sonst hätten wir ein Verfahren, das sich gewaschen hat.« Er zog einen gelben Zettel hervor und reichte ihn Dóra. »Der hat angerufen, als die Postschlitz-Leute bei dir waren. Du sollst ihn zurückrufen, wenn du Zeit hast.«
Dóra schaute auf den Zettel und seufzte, als sie den Namen sah. Jónas Júlíusson. »Na super«, sagte sie und warf Bragi einen Blick zu. »Was wollte er denn?« Vor einem guten Jahr hatte Dóra diesen wohlhabenden Herrn mittleren Alters beim Abschluss eines Kaufvertrags unterstützt. Er hatte in ein Grundstück und einen Bauernhof in Snæfellsnes investiert. Jónas war im Ausland durch den Kauf insolventer Radiosender, die er wieder aufbaute und mit gewaltigem Gewinn verkaufte, schnell zu Geld gekommen. Dóra wusste nicht, ob er schon immer seltsam gewesen war oder ob es mit dem Geld zusammenhing. Zum damaligen Zeitpunkt war er fasziniert von Esoterik und wollte ein großes Zentrum mit Wellnesshotel errichten, zwecks ganzheitlicher Beseitigung aller möglichen körperlichen und seelischen Leiden durch alternative Behandlungsmethoden. Dóra schüttelte den Kopf bei dem Gedanken an Jónas’ Pläne.
»Ein verdeckter Mangel, wenn ich ihn recht verstanden habe«, antwortete Bragi. »Er ist wohl irgendwie unzufrieden mit dem Anwesen.« Er lächelte ihr zu. »Ruf ihn an; mit mir wollte er nicht reden. Du bist für ihn aufsteigende Venus im Krebs und deshalb eine gute Rechtsanwältin.« Bragi zuckte mit den Schultern. »Ein aussagekräftiges Horoskop ist vielleicht auch keine schlechtere Empfehlung als gute Jura-Noten. Was weiß denn ich?«
»So ein Quatsch«, sagte Dóra und griff nach dem Telefon. Jónas hatte zu Beginn ihrer Zusammenarbeit ein Horoskop für sie anfertigen lassen, bei dem sie gut abgeschnitten hatte, und deshalb hatte er sie beauftragt. Dóra vermutete, dass
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