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Das gefrorene Licht. Island-Krimi

Das gefrorene Licht. Island-Krimi

Titel: Das gefrorene Licht. Island-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurðardóttir
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und die Wollfäustlinge halfen bei dem frostigen Wind nicht viel. Als ihre Hand in der rechten Jackentasche auf etwas stieß, fiel ihr der Umschlag wieder ein. Ein tiefer Schmerz durchfuhr sie und verdrängte einen Moment lang die Angst vor dem Mann. Sie hatte ihrer Mama versprochen, den Umschlag zu überbringen, und jetzt sah es so aus, als würde sie es nicht erfüllen können. Es war das Letzte gewesen, worüber sie gesprochen hatten, und das Mädchen konnte sich gut daran erinnern, wie wichtig es ihrer Mama gewesen war. Sie spürte, wie ihr eine Träne über die Wange lief. Dem Mann konnte sie den Umschlag nicht geben, denn Mama hatte ganz deutlich gesagt, dass sie das auf keinen Fall tun dürfe. Sie knabberte an der Unterlippe und wusste nicht, ob sie etwas sagen oder schweigen sollte. Deshalb schloss sie die Augen und wünschte sich, nicht länger dort zu stehen, sondern neben ihrer Mama zu liegen, und alles wäre so wie früher. Als sie die Augen wieder öffnete, standen sie immer noch an derselben Stelle, sie und der Mann. Hoffnungslosigkeit durchfuhr sie. Lautlos weinte das Mädchen, ließ die Tränen einfach die Wangen hinabströmen und in den Schal tropfen.
    Der Mann packte sie an der Schulter. »Gott wird dich nun freundlich aufnehmen. Kennst du irgendwelche Gebete?« Das Mädchen nickte verunsichert. »Gut.« Er schaute in das Loch. »Ich setze dich jetzt da hinein, und Gott kommt dich holen. Am besten betest du, bis er da ist. Dir wird kalt werden, aber dann schläfst du ein, und bevor du es merkst, bist du schon bei deiner Mama im Himmel.«
    Das zierliche Mädchen fing auf einmal heftig an zu schluchzen, obwohl es alles tat, um dagegen anzukämpfen. Das war nicht richtig. Warum konnte Gott sie nicht einfach sofort zu sich holen, wenn er doch so gut war? Warum musste sie in das schwarze Loch klettern? Sie fürchtete sich im Dunkeln, und das war ein böses Loch. Ihre Mama hatte ihr das erzählt. Als die Kleine den Mann anschaute, wusste sie, dass sie hineinklettern musste, ob sie wollte oder nicht. Sie war wie erstarrt. Der Mann griff unter ihre Arme und hob sie hoch. Er ließ sie in das Loch gleiten. Das Kind drehte den Kopf, um einen letzten Blick auf den Hof zu werfen. Verwundert schaute sie zum Mansardenfenster. Jemand stand dort und beobachtete sie. Das Fenster war zu schmutzig und zu weit entfernt, um erkennen zu können, wer es war. Als sie vollständig in dem Loch verschwunden war, konnte sie ihre Hand nicht mehr vor Augen sehen und versuchte, gegen die Panik anzukämpfen. Gott war gut. Das war kein Geist am Fenster. Gott war gut. Und das leise, klägliche Weinen, das plötzlich durch die Öffnung hineindrang, stammte nicht von den toten Kindern. Gott war gut. Mama hatte es gesagt.
    In dem Loch war es viel kälter als draußen. Das Mädchen versuchte, sich hinzusetzen, aber der Boden war noch kälter als zuvor der Autositz. Sie schlang die Arme um ihren Körper. Die Falltür neigte sich, und kurz bevor sie zuschlug, hörte sie den Mann sagen: »Alles Gute. Grüß deine Mama von mir. Und Gott. Und vergiss nicht, zu beten.«
    Alles wurde schwarz. Das Mädchen versuchte, Luft zu holen, was ihm wegen des Schluchzens schwerfiel. Am schlimmsten fand sie, dass sie den Umschlag nicht übergeben hatte. Sie schloss die Augen und wurde ruhiger, als sie sich vorstellte, es wäre hell. Vielleicht würde jemand kommen und sie holen; die Person im Fenster würde sie bestimmt retten. Hoffentlich, hoffentlich, hoffentlich. Sie wollte nicht länger hier sein. Sie faltete die Hände:
    Nun schließe ich die Augen,
oh, Gott, lass deine Gnade
mich schützen diese Nacht.
Ach, wenn du mich zu dir rufst,
lass deinen Engel wachen
über meinen Schlaf.

1 . KAPITEL
    DIENSTAG , 6 . JUNI 2006
    »Briefeinwurfklappe«, berichtigte Dóra und lächelte höflich. »In der Verordnung heißt das Briefeinwurfklappe.« Sie zeigte auf den Ausdruck auf dem Schreibtisch und drehte ihn so, dass das Ehepaar auf der anderen Seite des Tisches den Text lesen konnte. Ihre Gesichter verdunkelten sich, und Dóra beeilte sich, fortzufahren, bevor der Mann eine weitere Schimpftirade loslassen konnte. »Als Verordnung Nummer 505 / 1997 über den Grundpostdienst von Verordnung Nummer 364 / 2003 über den allgemeinen Dienst und die Durchführung des Postdienstes abgelöst wurde, fiel Paragraph 12 zu Briefkästen und Briefeinwurfklappen weg.«
    »Na also!«, rief der Mann und warf seiner Frau einen triumphierenden Blick zu. »Hab ich doch gleich

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