Das Gegenkreuz
schicke. Gegen Mittag werde ich fertig sein und mir...«
»Nein, nein, du brauchst dir nichts zum Essen zu machen.«
»Warum nicht?«
Sheila gab ihm einen Kuss. »Weil wir gemeinsam essen können.«
»Ach, bei dem neuen Franzosen?«
»Genau. Ich habe noch nie so gute Hähnchenschenkel in Weißwein gegessen wie bei ihm.«
Bill lächelte. »Dann muss ich ja wohl kommen.«
»Genau.« Sheila eilte aus der Küche und ließ ihren Mann allein zurück. Als Bill aufstand, hörte er bereits den Motor von Sheila’s Wagen.
Es war Montag, und er wollte die Woche langsam angehen lassen. Er öffnete das Fenster und schaute hinaus in einen sehr klaren Wintertag mit einem blauen Himmel ohne Wolken.
Leider war schon wieder ein Wetterumschwung angesagt. Für die folgende Nacht war Schnee angekündigt.
Während Bill den Tisch abräumte – nur die Warmhaltekanne mit dem Kaffee ließ er stehen –, wehte weiterhin kühle Luft in den Raum. Erst als das wenige Geschirr in der Spülmaschine verschwunden war, setzte er sich wieder hin und zog den Teil der Zeitung zu sich heran, in dem über den Mord an Orry Voss berichtet wurde.
Auf zwei Seiten war alles ausgebreitet. Da seine Reporterkollegen nur wenige Fakten hatten, beschäftigten sie sich mehr mit der Vergangenheit des Opfers. Da hatten sie nur in ihren Archiven nachzuschauen brauchen.
Vier Fotos waren zu sehen. Die Bilder eines lebenden Orry Voss. Natürlich auf irgendwelchen Parties. Umgeben von schönen Frauen und jungen Männern.
Das größte Bild schaute sich Bill genauer an. Im Gegensatz zu Sheila hatte er Orry Voss zu Lebzeiten nie persönlich kennen gelernt. Aber bunte Typen wie ihn kannte man eben. Ob die blonden Haare und die langen Wimpern echt waren, interessierte niemanden. Voss war immer jemand gewesen, der jedes Fest durch seine Anwesenheit bereichert hatte. Auch war er berühmt für seine Sammlung von Schmuckketten gewesen. Wie viele er davon besessen hatte, hatte er wohl selbst nicht gewusst. Auf dem größten Bild hatte er natürlich eine Kette um seinen Hals gehängt. Es war eine schlichte Kette, an der etwas hing.
Trotz des ungewöhnlichen Outfits des Designers musste dem Betrachter das Kreuz beim ersten Hinschauen auffallen. Es glänzte golden, und man konnte es nicht übersehen.
Bill beugte sich tiefer und schaute genauer hin. Das Kreuz interessierte ihn nicht nur wegen seines Materials und der Form, da gab es noch etwas anderes, was ihm auffiel.
An den Enden war die Oberfläche nicht mehr so glatt. Dort hatte sie einen dunkleren Ton, denn in das Metall war etwas hineingraviert, das sah Bill schon beim ersten Hinschauen.
Nur konnte er nicht erkennen, was es war. Er dachte an irgendwelche Zeichen, die seine Neugierde schon weckten, wobei er ohne Hilfsmittel nicht weiterkam.
Bill stand auf und öffnete eine bestimmte Schublade in der Küche. Es war die, in die alles hineingeworfen wurde, was zwar vorhanden, aber nicht unbedingt griffbereit sein musste.
Zwischen Schaschlikstäben, Teesieben, Dosenöffnern und Käsemessern entdeckte er das, was er suchte. Ein rundes künstliches Auge, in Metall eingefasst und mit einem Griff versehen.
Bill hauchte gegen das Glas der Lupe, putzte es sauber und ging wieder zurück zum Tisch. Die Neugierde ließ ihn einfach nicht los. Er wollte wissen, welche Zeichen sich auf dem Kreuz befanden.
Er rückte sich die Zeitung etwas besser zurecht und beugte sich mit der Lupe vor dem rechten Auge tief über das Bild. Der Reporter ahnte, dass es ein wertvolles Teil war. Zudem recht dick, was bei den normalen Kreuzen, die an der Brust getragen wurden, eigentlich nicht der Fall war.
Die Lupe holte alles sehr deutlich hervor, und so erkannte der Reporter die Buchstaben an den Enden des Kreuzes. Ein M oben, ein U unten, ein G links und ein R rechts.
Plötzlich merkte er in seinem Hals die Trockenheit. Auch sein Herz schlug schneller. Er musste schlucken und schüttelte zugleich den Kopf. Das war verrückt, was er da sah, aber es ließ sich nicht leugnen. Er sah die vier Buchstaben, und genau die befanden sich auch auf dem Kreuz seines besten Freundes John Sinclair...
***
Bill rutschte die Lupe aus der Hand. Er wischte über seine Augen und wusste zugleich, dass er nicht noch mal nachzuschauen brauchte. Er hatte sich nicht geirrt. Die Buchstaben waren mit denen auf John’s Kreuz identisch, und jetzt rieselte ihm ein kalter Schauer über den Rücken. Er glaubte daran, dass diese Entdeckung der Ermordung des Designers eine
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