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Das Geheimnis der Alchimistin - Historischer Kriminalroman

Titel: Das Geheimnis der Alchimistin - Historischer Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfredo Colitto
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Pfriem oder einem Stilett das Herz durchbohrt haben, bevor er sich ans Werk gemacht hatte. Der Oberkörper des Mannes wirkte wie ein kleiner Schrein, bei dem man nur die Türflügel öffnen musste, um zu sehen, was er enthielt.
    »Ich habe seinen Brustkorb geschlossen«, sagte Gerardo und bestätigte damit Mondinos Überlegungen. »Als ich ihn ausgestreckt auf meinem Bett gefunden habe, war er geöffnet und wirkte wie ein obszöner Schlund. Und da drinnen …«
    Er verstummte, überwältigt von einem Gefühl, das ebenso gut Schrecken oder Schmerz sein konnte. Mondino vergaß die Totengräber, die gleich kommen mussten und den Umstand, dass Gerardo gefährlich war und gesucht wurde. Jetzt wollte er nur noch eines: das Geheimnis dieses toten Tempelritters ergründen. Er schob die Ärmel seines Gewandes bis zu den Ellenbogen hinauf und zog mit den Fingern die Ränder der Wunde auseinander. In seinem Kopf erschien das Bild eines Tabernakels. Entschieden verjagte er jedoch diesen blasphemischen Gedanken, obwohl ihn eine Eingebung durchzuckte, dass dies genau die Absicht des Mörders gewesen sein könnte: Indem er aus der Brust seines Opfers ein Tabernakel aus Fleisch und Knochen errichtete, wollte er den Glauben an Gott verhöhnen.
    Das genügte. Er durfte nicht länger zögern. In diesem unnatürlichen Schweigen, in dem jedes Rascheln der Gewänder
so laut wie ein Peitschenhieb zu klingen schien, drückte Mondino die Ränder der Wunde auseinander und öffnete die beiden Flügel aus Fleisch an der Brust.
    Als er in den Körper blickte, stieß er einen Schreckensschrei aus, der in dem leeren Hörsaal noch furchterregender klang, und wich instinktiv zurück.
    Dann hob er den Blick und starrte zu Gerardo hinüber, der hinter dem Pult stehen geblieben war, als wäre dies eine ganz normale Anatomiestunde. In den blauen Augen seines Schülers lag jedoch kein Spott; er sah seinen Lehrer nur mitfühlend an, als wüsste er genau, was Mondino gerade empfand.
    Mondino wollte etwas sagen, doch das Grauen lähmte seine Stimmbänder. Er rang mühsam um Selbstherrschung, näherte sich dem Tisch und sah sich von neuem diesen gemarterten Körper an. Dieses Mal gab er der Versuchung nicht nach, die Augen abzuwenden. Das, was er zwischen dem getrockneten Blut und den zerschmetterten Knochen erblickte, raubte ihm den Atem, doch es beruhigte ihn irgendwie auch. Das Ganze war schrecklich, aber in gewisser Weise erklärbar.
    »Jemand hat sich einen grausamen Scherz mit diesem Unglückseligen erlaubt«, sagte er in krampfhaft gelassenem Ton. »Und ich stimme dir zu, dass man unwillkürlich an einen Pakt mit dem Teufel denken muss, wenn ein menschlicher Körper so geschändet wird. Der Mörder hat das Herz des Toten entfernt und den Brustkorb des Toten in ein blasphemisches Tabernakel verwandeln wollen, indem er anstelle des Kelchs mit den geweihten Hostien die eiserne Nachbildung eines Herzens eingesetzt hat.«
    »Das ist keine Nachbildung«, sagte Gerardo so leise, dass Mondino schon dachte, er habe sich verhört.
    »Wie?«
    »Das Herz. Es ist keine Nachbildung. Seht genauer hin.«
    Mondino schaute noch einmal in den weit geöffneten Brustkorb,
und nun sah er ganz deutlich, was ihm eigentlich schon vorher aufgefallen war, was er aber aus seinem Kopf verbannt hatte, weil er keine Erklärung dafür gefunden hatte: Dieses Herz in der Brust von Angelo da Piczano war ein echtes menschliches Herz, das jemand in einen Metallblock verwandelt hatte.
    Es konnte gar nicht anders sein angesichts der Genauigkeit, mit der es sich nahtlos mit den Arterien und Venen zusammenfügte, die es wiederum mit den anderen Organen verbanden. Man sah weder Übergänge noch Verbindungsstücke.
    Diese Arbeit spiegelte mehr eine göttliche als eine menschliche Perfektion wider, wenn auch eine abartige, weil sie dem Tod und nicht dem Leben zugewandt war. In diesem Augenblick glaubte Mondino tatsächlich, ein Werk des Bösen vor sich zu haben.
    Er wandte sich Gerardo zu. All die Sicherheit, die ihn zuvor durchströmt hatte, war jetzt versiegt; seine ausgetrocknete Kehle hinderte ihn am Sprechen. Mit hastigen Bewegungen stellte er die vier Öllampen näher an den Tisch heran. Er musste besser sehen. Musste wissen. Nachdenken. Dass er eigentlich Gerardo hatte im Auge behalten wollen, vergaß Mondino vollkommen - sein Blick galt nur noch diesem geöffneten Brustkorb mit dem getrockneten Blut, den zum Stillstand gekommenen, leblosen Organen und diesem in eine Ungeheuerlichkeit

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