0441 - Die Beerdigung
Nicht durch die Attacke eines Dämons oder eines anderen Schwarzblüters war er gestorben, sondern durch diese verdammte MPi-Garbe. Auf Gangsterart vernichtet, furchtbar, vielleicht eine Rache der Londoner Unterwelt, die sich auch hin und wieder mit dem Teufel verbündete.
Neben der Leiche kniete ein Mann mit einem maskenhaften Gesicht.
Suko, John Sinclairs Freund!
Er hatte den Mord hautnah miterleben müssen, ebenso wie Jane Collins, die ehemalige Hexe. Sie und Suko hatten Glück gehabt, nicht von einer zweiten Garbe getroffen worden zu sein, aber das wäre dem Chinesen in diesen langen, schrecklichen Augenblicken auch egal gewesen.
Er kniete da wie eine Steinfigur, und wehe dem, der es wagte, sich ihm zu nähern. Niemand sollte an den Toten herankommen. Suko wehrte alles ab, was der Leiche hätte schaden können.
Und so hatten die Polizisten einen weiten Ring aus Leibern um den Ort des Geschehens gezogen. Sie warteten darauf, daß jemand vom Yard kam und die Initiative ergriff.
Die Straße war abgesperrt worden. In einem der Polizeiwagen hockte Jane Collins. Ohne es recht zu merken, hatte sie ihre Angaben gemacht und von einem blauen Mercedes gesprochen, aus dem die Schüsse gefallen waren.
Dieser Wagen existierte nicht mehr. Nahe des Hyde Parks war er in die Luft gesprengt worden.
Also gab es keine Spuren mehr…
Fast 30 Minuten waren seit John Sinclairs Tod vergangen, und Suko hockte noch immer mit starrem Gesicht neben der Leiche, ohne überhaupt an etwas denken zu können. Er wollte nur einfach da sein und seinen toten Freund anschauen.
Er hatte auch keinen Blick für die Umgebung und bemerkte deshalb nicht, daß sich am Ende der Straße die Absperrung für einen Moment öffnete, um eine große dunkle Limousine durchzulassen, hinter deren getönten Scheiben Fahrer und Fahrgast so gut wie nicht zu erkennen waren.
Die Limousine gehörte zum Fuhrpark von Scotland Yard, und in ihr saß kein anderer als Sir James Powell, John Sinclairs ehemaliger Vorgesetzter.
Die Hiobsbotschaft hatte ihn während einer Konferenz erreicht. Sir James hatte sich entschuldigt und war sofort losgefahren.
Sein Chauffeur ließ die Limousine so nahe wie möglich an den Tatort heranrollen. Erst dann stoppte er. Der Mann war es gewohnt, seinem Chef den Wagenschlag zu öffnen, doch das erledigte Sir James in diesem Fall selbst. Er stieg aus dem Wagen, lief um die Kühlerhaube herum, und seine Schritte wurden plötzlich langsamer, als hätte er Angst davor, sich dem Tatort zu nähern.
Neben Suko blieb er stehen.
Der Chinese sah nicht einmal auf, als der Schatten des Superintendenten auf ihn fiel.
Und Sir James blickte ebenfalls auf den Toten nieder, der einmal sein bester Mann gewesen war. Sehr langsam nahm Sir James die Brille ab.
Mit seinem weißen Taschentuch wischte er sich die Tränen aus den Augenwinkeln. Auch dieser Mann, der schon seit Jahrzehnten im Dienst des Yard stand, schämte sich seiner Tränen nicht. Es war etwas Wind aufgekommen. Er trieb dunklere Wolken heran, die davon zeugten, daß sich allmählich das Ende des frühsommerlichen Wetters anbahnte.
Dieses Grau paßte zu der Stimmung, in der sich die Menschen befanden, denen John Sinclair etwas bedeutet hatte.
Für alle Zeiten konnte Sir James nicht stehenbleiben. Es kostete ihn Überwindung, sich zu bewegen, die Hand auszustrecken und Sukos Schulter zu berühren.
»Gehen Sie!« sagte der Inspektor nur.
»Suko, Sie müssen sich von ihm losreißen!« flüsterte Sir James. »Sie müssen es einfach.«
Erst jetzt zuckte der Chinese zusammen. Er schien aus einem tiefen Traum zu erwachen, hob den Kopf, und so etwas wie Interesse flackerte in seinem Blick.
»Sie, Sir James?«
»Ja.«
Der Inspektor nickte. »Wir werden ihn mitnehmen«, flüsterte er, »und ich werde Totenwache halten, so wie ich es gelernt habe. Erst wenn John unter der Erde ist, hole ich mir seine Mörder, und ich werde keine Rücksicht kennen.«
»Suko, Sie reden jetzt im Zorn und in der ersten Verbitterung.«
»Nein, Sir!« Plötzlich klang Sukos Stimme laut. »Auf keinen Fall lasse ich das zu. Ich werde neben der Leiche sitzen und Wache halten, Totenwache. John soll so beerdigt werden, wie er auch erschossen wurde. Kommt man meinen Wünschen nicht nach, werde ich den Dienst quittieren und sofort mit meiner Rache beginnen.«
Sir James konnte jetzt keine konkreten Versprechungen geben. Er hoffte auf eine spätere Einsieht des Inspektors, wenn der erste glühende Schmerz vorbei war.
Durch
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