Das Geheimnis der Haarnadel
und Sie wissen ja, wie die an den Teppichen kleben, wenn sie einmal drin sind – ins Haus, auf keinen einzigen meiner Teppiche!«
Vielleicht gewann selbst Mr. M. den Eindruck, daß diese Erzählweise zu weitschweifig war. Jedenfalls suchte er Schutz vor ihrer Flut oder ihrem Tosen, indem er sich in den prachtvollen steinernen Sessel sinken ließ, in dem ich mich schon schreibenderweise gesehen hatte, dem jedoch nun – ich konnte nicht anders, als es so zu empfinden – die unerfreuliche Aura seines unangenehmen vormaligen Besitzers und dessen unangenehmer letzter Sitzung dort anhaftete. Doch Mr. M. lehnte sich ganz entspannt zurück und schien lediglich in aller Muße die ineinander verflochtenen Zweige zu mustern, die sich über uns wölbten; dann und wann legte er den Kopf ein wenig schief, vielleicht in der Hoffnung, ein Vogelnest zu erspähen, denn die Vögel waren geschäftig dort oben zu Gange, wie sie es im Frühling stets zu sein pflegen.
Doch Jane war nicht auf ungeteilte Aufmerksamkeit angewiesen, um fortzufahren.
»Am nächsten Morgen trug Mr. Sankey mir beim Frühstück auf, ich solle Mrs. Sprigg Bescheid geben, daß er Mr. Milium um Punkt elf Uhr zu sprechen wünsche. Nun, bei aller Liebe zur Pünktlichkeit – wenn ich von jemandem so eine Aufforderung bekäme, dann würde mich das bestimmt zu spät kommen lassen, das kann ich Ihnen versichern, so ist nun mal die menschliche Natur. Aber ob Sie’s glauben oder nicht, als ich hier über den Flur ging und es elf schlug – denn ich mußte schließlich pünktlich sein, ob mir das nun paßte oder nicht –, da stand der gute Mr. Milium vor der Tür. Ich stellte mein Tablett ab, auf dem ich Mr. Sankeys heiße Schokolade, das kleine Schälchen Sahne und die winzige Phiole mit Vanille hatte, und ließ ihn ein. Dann nahm ich mein Tablett wieder auf, und er, perfekter Gentleman, derer nun einmal ist, öffnete die Türen für mich. Und so kam es, daß wir beide zusammen hier zu Mr. Sankey herauskamen. Mr. Sankey, das haben Sie sich inzwischen wohl zusammengereimt, bedankte sich niemals für etwas. Alles was er sagte, als wir beide herauskamen, war: >Stellen Sie das Tablett hierhin!« Und während ich alles so anordnete, wie es ihm gefiel – und was ihm gefiel und was nicht, das konnte niemand wissen, der nicht für ihn arbeitete stand Mr. Milium freundlich und geduldig dabei, er plauderte einfach nur und war guter Laune. Er warf einen Blick auf die Laube, die er beschnitten hatte, doch da er nur zu gut wußte, daß er keinen Dank zu erwarten hatte (denn, wie meine irische Großmutter immer zu sagen pflegte, >Was kann man von einem Schwein schon anderes erwarten als ein Grunzen?«), kam er mit mir zurück ins Haus, und ich begleitete ihn zur Tür und ließ ihn hinaus.
Und dann…«
Jane senkte die Stimme, als sie zum emotionalen Höhepunkt ansetzte, der nun offenbar bevorstand: »Und dann… ich komme hier herein, bin bester Laune, und es ist ein wunderschöner Tag. Ich komme bis hier zu diesem Fenster« – das historische Präsens der Seherin hatte sich ihrer nun bemächtigt »und ich will eben hinaus und die Treppe da hinuntergehen, um Mr. Sankey, weil ich sehe, was für ein schöner Tag es ist, zu fragen, ob er sein Mittagessen draußen oder drinnen haben will, da höre ich, wie schon gesagt, die Gartentür quietschen; ich blicke auf und sehe, wie sich die obere Ecke der Tür bewegt. Von dem Eßzimmerfenster gleich da oben kann man die Türe sehen. Sie öffnete sich nur einen Spaltbreit, aber ich dachte: >Oh, er (und damit meinte ich den Müllmann) hat gesehen, daß Mr. Sankey draußen sitzt, und kommt lieber später noch einmal wieder.« Die meisten Leute wußten, daß Mr. Sankey ein Griesgram war, wenn ich so sagen darf – und daß ihr Trinkgeld davon abhing, daß er sich nicht durch sie gestört fühlte. Und darauf schlüpfte ich wie der Wind zu diesem stillen Plätzchen hinunter, und still war es allerdings, und schwer wie Blei. Denn da lag er, in dem schönen weißen Seidenanzug, den er an dem Morgen erst frisch angezogen hatte, er lag auf dem Kies und auf den Steinplatten, die Sie da rund um den Sitzplatz sehen, und das schöne Buch, in dem er gelesen hatte, lag aufgeschlagen unter ihm.
Ich bewahrte natürlich einen kühlen Kopf. Man hat ja nicht umsonst sein halbes Leben damit verbracht, Unordnung aufzuräumen, von einem Zuhause, in dem es drunter und drüber ging, bis zu einem Haus wie diesem hier, das voll mit Sachen ist, die alle so bleiben
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