Das Geheimnis der Haarnadel
seinen Reiz: Silchester erzählt uns die ihm sichtbare und zugleich verborgen bleibende Außenseite von Mycrofts Aktivitäten, während Mycroft selbst ihre Innenseite, seine an den Clues geleistete Detektionsarbeit offenlegt, die der seines Vorbilds gleicht und sie sogar noch übertrifft. Und noch in einem weiteren Zug bestätigt Mycroft sich als legitime Reinkarnation des Größten der Großen: Es geht ihm nicht um Rache und Strafe, es geht ihm um die Wahrheit und mehr noch um die künstlerische Vollkommenheit seines Tuns. Als er den Täter in seinem Netz gefangen hat – nicht umsonst bezeichnet er Spinnen einmal als Kollegen –, bringt er ihn nicht etwa zur Strecke, sondern zeigt Verständnis dafür, in welche Verstrickungen ein Sterblicher geraten kann. Dem geständigen Täter-Opfer gegenüber wird er zum Bewährungshelfer, zum guten Hirten, ja zum Freund. Genau so schloß einst Holmes seine Ermittlungen im »Geheimnis von Boscombe Valley« ab, als er den Täter mit den Worten laufen ließ: »Es ist allein Gottes Gnade zu verdanken, daß dort nicht Sherlock Holmes geht.« Und wie einst Watson einen Nachruf auf Holmes mit den Worten schloß, er sei der klügste, beste, weiseste und gütigste Mensch gewesen, den er je gekannt habe, so ist auch der eitle Sidney Silchester am Ende damit zufrieden, Mycrofts Schildknappe gewesen zu sein.
Volker Neuhaus
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