Das Geheimnis der Hebamme
wusste.
Er hob die Hand, um die Versammelten zum Schweigen zu bringen.
»Randolf! Ich werde Euch nicht in vollem Maße für die Verfehlungen Eures Verwalters haftbar machen. Ich bin gewiss, dass dies ohne Euer Wissen geschah. Doch Ihr habt fahrlässig gehandelt und selbst Schuld auf Euch geladen. Zur Sühne werdet Ihr Euch auf eine Fahrt ins Heilige Land begeben und dort vierzig Tage lang die Pilger beschützen. Ihr werdet sofort zu Euren Ländereien aufbrechen und sie bis zu Eurer Abreise nicht verlassen. Ich gewähre Euch vier Wochen Zeit, um Eure Angelegenheiten zu regeln.«
Randolfs Miene ließ keinerlei Gefühlsregung erkennen.
»Wie Ihr wünscht, mein Gebieter!«
Marthe wusste nicht, ob sie enttäuscht oder erleichtert sein sollte. Randolf musste die Mark Meißen verlassen. Vielleicht würde er im Heiligen Land sterben. Viele fanden dort den Tod. Auch wenn Hass eine Todsünde war – sie wünschte es sich. Sie würde nicht vergessen und vergeben können, was er ihr und Christian angetan hatte.
Aber vielleicht würde er wiederkommen. In zwei Jahren, in drei Jahren?
Otto richtete das Wort erneut an Christian. »Die Reisigen des Verwalters könnt Ihr in Eurem Dorf für ihre Verfehlungen nach eigenem Ermessen bestrafen.«
Christian verneigte sich stumm, stand auf und wollte wieder nach hinten gehen.
Doch Otto hielt ihn mit einer Geste zurück. Er wechselte einen kurzen Blick mit Hedwig, die wie eine lebende Mahnung mit strenger Miene neben ihm saß.
»Ich bin noch nicht fertig. Ritter Christian, tretet heran.«
Christian befolgte den Befehl und sank erneut auf ein Knie. Was kommt nun noch?, dachte er verbittert.
Er hätte zufrieden sein können, dass sein Ruf wiederhergestellt war. Doch es machte ihn zornig, dass Randolf so glimpflich davonkam. Schon allein wegen Marthe hatte er mit ihm eine tödliche Rechnung zu begleichen.
»Zur Entschädigung für erlittene Unbill und als Lohn für Eure Treue und Ergebenheit habe ich beschlossen, Euch des Ministerialenstandes zu entheben. Hiermit verleihe ich Euch auf alle Zeit die Ehre und den Titel der freien Geburt und erhebe Euch in den Stand eines Edelfreien – mit allen Rechten, Ehren und Freiheiten.«
Christian brauchte einen Moment, bevor er sich verneigte und bedankte. Er begriff, dass dies Ottos Friedensangebot war, damit er Randolf unbehelligt nach Jerusalem ziehen ließ. All die Jahre war Christian dem Hünen gegenüber immer im Nachteil gewesen, weil er kein Freigeborener war. Wie viel mehr konnte er nun für sein Dorf bewirken. Das sagte ihm sein Verstand.
Aber sein Herz schrie nach Rache für das, was Randolf Marthe angetan hatte.
»Ihr seht wenig glücklich aus, Christian«, knurrte Otto. »Seid Ihr mit meinem Urteilsspruch nicht zufrieden?«
»Wie könnte ich das, mein Herr?«
Ein weiterer Seitenblick auf Hedwig brachte Otto in großzügige Stimmung. »Darüber hinaus gewähre ich Euch einen Wunsch. Aber überlegt schnell!«
Christians Augen richteten sich sofort auf Randolf, der zusammen mit seinen treuesten Freunden gemäß dem Befehl des Markgrafen die Pferde für den sofortigen Aufbruch sattelte. Jetzt konnte er ihn auf Leben und Tod fordern! Einem Edelfreien durfte sein Kontrahent den Zweikampf nicht verweigern.
Doch dann sah er Marthes Augen auf sich gerichtet, die seinem Blick gefolgt waren, sah sie erblassen und kaum merklich, aber beschwörend den Kopf schütteln.
Mühsam zügelte er seinen Hass. Er hatte geschworen, Marthe zu schützen, und dabei würde das Schwert ihm nicht immer nützen. Niemand wusste besser als er, wie angreifbar sie durch ihre Fähigkeiten war.
Die Stunde der Vergeltung würde noch kommen.
Langsam hob er den Kopf. »Es gibt in der Tat eine weitere Gnade, um die ich Euch bitten möchte.«
»Sprecht«, meinte Otto großzügig.
»Wenn Ihr mir einen Wunsch gewähren wollt, dann seid so gütig und erhebt auch meine Ehefrau in diesen Stand.«
Verblüfft starrte Otto ihn an. »Ihr habt geheiratet?«
»Vor zwei Tagen. Auch wenn sie aus einfachen Verhältnissen stammt – ohne ihren Mut und ihre Hilfe wäre das Komplott gegen Euch nie enthüllt worden.«
»Wer ist sie? Ist sie hier?«, fragte Otto ungeduldig.
Christian sah zu Marthe und bedeutete ihr mit einer winzigen Geste, zu ihm zu kommen.
Mit zittrigen Beinen trat sie vor und kniete nieder.
Ottos Überraschung kannte keine Grenzen. »Ihr habt dieses Mädchen geheiratet?!«
»Und er hat eine gute Wahl getroffen«, rief Markgraf Dietrich.
»Die
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