Das Geheimnis der Hebamme
bevor er sich mit ihr traf. So hatte sie erfahren, dass drei Ritter bei ihm aufgetaucht waren. Ihre Sachen waren bereits gepackt. Morgen früh, wenn alle zum Landding ritten, würde sie nicht in die Falle laufen und sich mit dem Boten treffen, sondern Richtung Braunschweig verschwinden.
Scheinbar ruhig und verführerisch lächelnd nahm sie an dem Mahl teil, während sie nur darauf wartete, dass der Abend ein Ende fand. Doch Otto machte keine Anstalten, die Tafel aufzuheben.
Endlich stand er auf und bot ihr seinen Arm. »Gewährt Ihr mir die Gunst, mir noch auf einen Becher Wein Gesellschaft zu leisten?«, fragte er lächelnd. Doch sie erkannte, dass aus seinen Augen diesmal kein Begehren sprach. Er wusste Bescheid.
Oda sah durch die sich schnell leerende Halle zwei Ritter auf sich zuschreiten. Blitzschnell fasste sie den Entschluss, nicht erst bis morgen früh mit dem Aufbruch zu warten. Sie riss sich von Ottos Arm los, drehte sich zu dem Pagen um, der hinter ihr stand, umklammerte seinen Hals und hielt ihn einen Eisendorn an die Schläfe.
Sie wusste, dass es Markgraf Dietrichs Sohn war, den sie als Geisel genommen hatte. Diesen Angriff hatte sie den ganzen Abend über geplant, für den Fall, dass er als letzter Ausweg nötig werden würde.
»Tretet alle zurück – oder der Junge wird sterben«, rief sie.
Der junge Konrad rührte sich nicht, seine Augen waren vor Schreck geweitet.
»Lasst mich frei abziehen, dann setze ich den Knaben eine Meile hinter dem Stadttor unbeschadet ab«, forderte Oda laut. »Wenn sich auch nur einer von euch rührt, steche ich zu. Die Spitze ist vergiftet, er würde den Abend nicht überleben.«
Oda war sich bewusst, dass ihre Aussichten mehr als schlecht standen, mit einer Geisel an so vielen gestandenen Kämpfern vorbei die Burg zu verlassen. Aber wenn sie unterging, wollte sie wenigstens den Sohn ihres Feindes mit in den Tod reißen.
Sie sandte einen triumphierenden Blick zu Dietrich, der nichts dagegen tun konnte, wenn sein einziger legitimer Erbe vor seinen eigenen Augen starb.
Doch genau dieser Blick wurde Oda zum Verhängnis. Von hinten umklammerte jemand mit eisernem Griff ihre Hand, die den Dorn hielt, ein Tritt in die Kniekehlen raubte ihr das Gleichgewicht, und im gleichen Moment wurde der Junge blitzschnell weggezogen.
Marthe warf Lukas einen erleichterten Blick zu. Gut gemacht!
Nach ihrer Warnung hatten sie sich in der Halle immer in unmittelbarer Nähe des jungen Konrad aufgehalten, unbemerkt in Odas Rücken, so dass sie rechtzeitig eingreifen konnten.
Noch während ein paar Wachen auf die Attentäterin zugingen, um sie festzunehmen, flog ein Messer durch den Raum und bohrte sich tief in Odas Brust.
Zufrieden ging Randolf auf den Leichnam zu und holte sich sein Wurfmesser zurück. Die schwarzhaarige Hure hatte sich geirrt. Ihn würde sie nicht mit in den Abgrund reißen.
Hastig lief Markgraf Dietrich auf seinen Sohn zu und schloss ihn in die Arme. Dann blicke er Marthe und Lukas an. »Das werde ich euch nicht vergessen!«
Otto sah abwechselnd auf den Leichnam, der nur wenigeSchritte vor ihm lag, auf Lukas und Marthe und dann auf Randolf, der die Hand aufs Herz legte und sich tief verbeugte, um seinen Gesichtsausdruck zu verbergen. »Mein Herr! Diese Frau wird niemanden mehr bedrohen. Ich hoffe, Ihr seid mit mir zufrieden.«
Während der blutige Zwischenfall die gesamte Burgbesatzung noch bis tief in die Nacht beschäftigte, saßen Otto, Dietrich und Hedwig beieinander und stritten.
Dietrich bewunderte einmal mehr die Klugheit Hedwigs, die vorerst gegenüber Otto auf jeden Vorwurf verzichtete, dass er so leichtsinnig einer Spionin erlegen war. Sein Bruder machte sich deshalb schon Vorwürfe genug, und dies nutzte Hedwig für ihre eigenen Pläne.
»Dass alles glimpflich abgelaufen ist, hast du nur einer Hand voll Leuten zu verdanken«, hielt sie ihm vor. »Marthe und Lukas, die uns gewarnt haben und deinen Neffen retteten. Und deinen Rittern Raimund, Gero und Richard, die den Beweis für Odas Verbindung zum Löwen gefunden haben. Mit Unterstützung deines Bruders natürlich.« Sie neigte den Kopf leicht in Dietrichs Richtung und lächelte ihrem Schwager kurz zu.
Dann fuhr sie unnachgiebig fort: »Fällt dir dabei nicht etwas auf? Es sind alles engste Freunde Christians, der ein Dieb und Verräter sein soll. Das fällt schwer zu glauben. Zumal einzig und allein Randolf Vorwürfe gegen ihn erhebt, sein erbittertster Feind.«
»Es gab Beweise für
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