Das Geheimnis der Heiligen Stadt
Unternehmen ausgehen würde.«
Geoffrey schaute ins Feuer und hatte den Brief völlig vergessen. Er dachte an den Tag zurück, wo er zum ersten Mal von dem Kreuzzug hörte. »Als mir klar wurde, dass ich dem Herzog der Normandie niemals entkommen und kein Gelehrter werden konnte, da habe ich mich mit meiner Ausbildung zum Ritter abgefunden. Aber ich las immer noch alles, was mir zwischen die Finger kam, und schlieÃlich wurde ich als Erzieher zu Tankred nach Italien geschickt. Er war fünfzehn Jahre alt und mehr auf seine körperlichen Fähigkeiten bedacht als auf seine geistigen. Doch ungeachtet aller Unterschiede haben wir bald gelernt, einander zu respektieren.«
»Du bist zu bescheiden«, behauptete Hugo. »Tankred empfindet mehr als Respekt. Er traut deinem Urteil vollkommen und hält viel von deinen Fähigkeiten, sowohl als Ritter wie auch als Gelehrter. Du warst während des gesamten Kreuzzuges von unschätzbarem Wert für ihn, und er sieht dich als seinen wichtigsten Ratgeber.«
»Wohl kaum«, widersprach Geoffrey erschrocken. »Er macht sich dauernd über meinen Lerneifer lustig, und sein Onkel Bohemund steht meiner Gelehrsamkeit sogar feindselig gegenüber.«
»Doch Bohemund ist kein Narr«, warf Hugo ein. »Wie du weiÃt, stehe ich seit meiner Kindheit in seinen Diensten, und ich schätze ihn wie keinen anderen Menschen, dich vielleicht ausgenommen.«
Geoffrey schaute weg, peinlich berührt von Hugos offener Freundschaftsbekundung. Hugo erkannte, dass er Geoffrey in Verlegenheit brachte, und lächelte, ehe er fortfuhr: »Bohemund mag schimpfen und poltern, doch er weià genau, wie nützlich du für seinen Neffen bist. Er ist regelrecht ärgerlich darüber, dass der Herzog der Normandie dich an Tankreds Seite gestellt hat und nicht an seine. Er hätte dich überaus gerne in seinem Gefolge. Doch all das hat meine Frage nicht beantwortet. Wie kamst du überhaupt dazu, dich dem Kreuzzug anzuschlieÃen?«
Geoffrey seufzte, als er sich an die Begebenheit vor drei Jahren erinnerte. »Tankred und Bohemund belagerten Amalfi, eine reiche Kaufmannsstadt, die mit Bohemund aneinander geraten war. Eines Tages beobachteten Tankred und ich Reiter mit roten Kreuzen auf der Rückseite ihrer Wappenröcke. Unter ihnen befand sich Tankreds Bruder, und er berichtete uns, dass der Papst die ganze Christenheit aufgerufen habe, den Ungläubigen das Heilige Land zu entreiÃen. Bohemund und Tankred sahen die Gelegenheit, ein Vermögen zu machen und Ländereien zu gewinnen, die ihre kühnsten Träume überstiegen. Noch am selben Tag brachen sie die Belagerung ab und sammelten ihre Truppen, damit sie den Kreuzzug anführen konnten. Ich nehme an, du warst auch darunter?«
Hugo nickte. »Zu dieser Zeit weilte ich auf Bohemunds Geheià in Lothringen. Aber als ich vom Aufruf des Papstes hörte, da wusste ich, dass Bohemund all seine Truppen dafür zusammenrufen würde. Ich eilte zu ihm, so schnell mich das Pferd nur tragen konnte, und noch im gleichen Monat waren wir unterwegs ins Heilige Land. Aber du verschweigst mir immer noch das Wesentliche, Geoffrey. Warum bist du mit Tankred gezogen? Sicher hätte er dir erlaubt, in Italien zu bleiben, wenn du darum gebeten hättest.«
Geoffrey schaute ihn zweifelnd an. »Das hätte er ganz gewiss nicht! Als der junge Tankred seine Heimat Italien verlieÃ, wusste er schon, dass er nicht zurückkehren würde. Er wollte sich im Heiligen Land ein eigenes Fürstentum verschaffen, genau wie Bohemund, und mich will er dabei an seiner Seite haben. Und ich war einverstanden, denn ich hatte ein wenig über arabische Philosophie und Medizin gelesen und sah hier die Gelegenheit zu lernen.«
»Das also war dein Antrieb?«, fragte Hugo. »Gelehrsamkeit und Bücher?« Plötzlich lächelte er. »Das habe ich mir bereits gedacht, so wie ich dich kenne. Und hast du gefunden, was du dir erhofft hast?«
»Nein!«, stieà Geoffrey hervor. Hugo war erstaunt über seine Heftigkeit. »Ich fand BlutvergieÃen und Gemetzel, Krankheiten, Fliegen, Staub und Hass. Und wir sind so sehr mit dem Ãberleben beschäftigt, dass kaum Zeit zum Studieren bleibt.«
»Immer mit der Ruhe«, sagte Hugo und lächelte weiterhin. »So schlimm ist es wirklich nicht. Wie ich gehört habe, lernst du Arabisch und kommst deinem Ziel damit
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