Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie
starrte Matthias den Franzosen an.
3. Das Geheimnis der Nonne
Die churfürstliche Kutsche rollte gemächlich durch den ersten Schnee dem Schloss in Lechenich entgegen. Der Winter hatte früh mit Frost und Schneefällen eingesetzt. Der Kutscher hatte es nicht besonders eilig, sein Passagier hatte es noch weniger eilig. Maurus van Leuven saß grübelnd in der Kutsche. Matthias hatte sich wie ein Verrückter gebärdet und war Hals über Kopf aufgebrochen. Niemand wusste genau wohin, doch Maurus ahnte es. Vielleicht war er auf direktem Wege nach Jaca oder aber – und das schien ihm wahrscheinlicher – auf dem Weg nach Brüssel. Schließlich war Carmen de Silva einmal eine Hofdame der Infantin von Spanien gewesen.
Für ihn selbst stand eines fest: sobald sich die Gelegenheit ergab, würde er auch nach Brüssel gehen. Dort wartete Enja, er würde sie heiraten und wenn er dafür konvertieren müsste. Eigentlich stand sein Entschluss schon fest.
Er schaute hinaus auf die schneebedeckte Landschaft, der Himmel zeigte sich grau in grau. Ihm fröstelte bei dem bloßen Anblick und er hatte das Gefühl, die Welt würde zu einer Eishölle erstarren, Satan ihr ungnädig alle Liebe und Leben entreißen. Was haben wir getan, warum haben sie den Fürsten der Finsternis erweckt, der jetzt unbarmherzig seinen Blutzoll einfordert? Hexenjäger zogen durch die Lande, führten einen weiteren Krieg im Namen Gottes, als herrschte noch nicht Elend genug. Doch Gott hatte sich schon längst abgewandt.
Die Kutsche fuhr in den Schlosshof und kurze Zeit später stand Maurus der Nonne Sophia Agnes von Langenberg gegenüber.
»Wenn du es wünschst, Schwester, nehme ich dir die Beichte ab«, versuchte Maurus ein Gespräch zu beginnen. Die Nonne saß still auf einem Hocker und beobachtete Maurus, der angespannt hin und her ging.
»Die Wege des Herrn sind unergründlich, Pater«, erwiderte sie dann. »Gott hat mich mit einer Gabe gesegnet, so wie Euch auch.«
»Mich auch, wie meinst du das?«, verwunderte blickte Maurus die Nonne an.
»Auch Ihr könnt in die Herzen der Menschen hineinsehen. Wisst Dinge, die diese Menschen nicht aussprechen, Dinge, die dennoch wirklich sind.«
Maurus war verwundert, setzte sich. Die Klarissin strahlte einen seltsamen Glanz aus, etwas Anziehendes lag in ihrer Stimme, etwas, das ihn magisch in seinen Bann zog.
»Sie hat zu mir gesprochen, Pater. Sie spricht jeden Tag zu mir, denn sie wartet auf jemanden.«
»Wen meinst du, Schwester?«
»Es liegt etwas im Verborgenen, das ans Licht will und Ihr wisst, wo es zu finden ist. Sie will es so.«
»Ich soll was wissen? Schwester, du verwirrst mich!«
Ein Lächeln huschte über das Gesicht der Nonne.
»Schwester, ich sage es dir nur ungern, aber man wird dich foltern. Ich flehe dich daher an, schwört allem ab.«
»Ich kann nicht, denn alles ist wahr. Ich würde Gott betrügen, schwüre ich ab. Aber ich flehe Euch an, hört mir zu, bevor die Folter mir die Sinne raubt. Sie will es so!«
»Wer ist sie ? Welcher Geist hat Besitz von dir ergriffen?«, forschte Maurus.
»Sie ist eine der beiden Königinnen. Du weißt, wer sie ist.«
Wieder fühlte sich Maurus unbehaglich, was immer geschah, wenn etwas Unglaubliches auf ihn zukam.
»Sie braucht seine und deine Hilfe, denn nur gemeinsam könnt ihr das Rätsel lösen, das ans Licht holen, das im Verborgenen liegt.«
»Was liegt im Verborgenen?«
»Etwas, das zusammengefügt werden muss, die Wahrheit, über sie . Es gibt einen Ort, der Euch den Weg weisen wird, ein Ort mit drei Gräbern.«
In Maurus Kopf drehte sich alles. Natürlich kannte er den Ort, die drei Gräber!
Matthias, sein Freund, sein bester Freund, die Karte – er musste es doch erfahren. Doch wo war er jetzt? Unruhig schaute Maurus zu dem Kreuz, das an der Wand hing.
Er traute seinen Augen kaum, war das nicht Blut? Das Wunder! Es wiederholte sich! Maurus stürmte hinaus.
Wohin führst du mich, Herr?
Und die Nonne lächelte ein letztes Mal.
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