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Eine Rose im Winter

Eine Rose im Winter

Titel: Eine Rose im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen E. Woodiwiss
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Erstes Kapitel
    23. Oktober
Im Norden Englands
    »Heirat!«
    Erienne Fleming trat vom Kamm zurück, stieß den Schürhaken heftig in den Ständer und ließ ihrem Verdruss über den noch jungen Tag freien Lauf. Draußen peitschte munter der Wind große, klatschende Regentropfen und beißenden Graupel böig an die bleigefaßten Fensterscheiben, als wolle er sich mit seinem ungezügelten lockeren Treiben über die Fesseln, die sie im Herzen spürte, lustig machen. Die wilden dunklen Wolken, die dicht über dem Ziegeldach des Bürgermeisterhauses dahinjagten, spiegelten die Stimmung der gut gekleideten, dunkelhaarigen jungen Frau, deren Augen in violettem Feuer aufblitzten, als sie in die Flammen starrte.
    »Heirat!«
    Das Wort flackerte erneut in ihren Gedanken auf. Einst das Symbol eines Mädchentraums, war es inzwischen eher gleichbedeutend mit Narrheit geworden. Nicht etwa, daß sie etwas gegen die Institution der Ehe als solche hätte. O nein! Unter der sorgfältigen Erziehung und Führung ihrer Mutter hatte sie sich darauf vorbereitet, einstmals einem Mann eine gute Gemahlin zu sein. Nur ihr Vater, eben dieser Bürgermeister von Mawbry, war darauf versessen, sie irgendeinem reichen Kerl zu geben, ganz gleich, welches geckenhafte, beleibte oder knochendürre Spottbild von einem Mann ihr seinen Antrag machte. Jegliche andere erstrebenswerte Eigenschaften an Charakter oder auch Umgangsformen schienen ihm völlig unwichtig zu sein. Ja, er bedachte sie nicht einmal! War der Mann reich und willens, sie zu heiraten, dann sah er ihn nur zu gern als möglichen Bewerber um ihre Hand an. Sie hatten sich als ein trauriges Häuflein erwiesen, aber vielleicht waren sie doch – in plötzlichem Zweifel zogen sich Eriennes fein gezeichnete Augenbrauen zusammen – die besten, die ihr Vater finden konnte; schließlich konnte er nicht mit einer ansehnlichen Mitgift locken.
    »Heirat! Pah!« In neu aufflammendem Ekel spie Erienne das Wort förmlich aus. Schnell verloren sich die glückseligen Träume ihrer Jugendzeit, jetzt begann sie den Zustand der Ehe als alles andere denn erfreulich anzusehen. Gewiß, es war nicht so selten, daß eine junge Dame den für sie bestimmten Bewerber verabscheute; aber nach der Auswahl, die sie bisher kennen gelernt hatte, gab es wohl wenig Hoffnung darauf, daß der Vater in seiner Entschiedenheit eher gewillt sein würde, in Zukunft ihren Wünschen entsprechender auszuwählen.
    Unruhig schritt Erienne zum Fenster und blickte gedankenverloren durch die rautenförmige Scheibe auf die mit Kopfsteinen gepflasterte Straße, die sich durch das Dorf wand. Die Bäume, die den Dorfflecken säumten, waren kaum mehr als dunkle Skelette im peitschenden Regen. Ihr Blick wanderte die leere Gasse hinunter, und ein dumpfer Schmerz gleichwie in tiefer Traurigkeit quälte sie bei dem Gedanken, daß kaum eine Stunde sie von der Begegnung mit einem unwillkommenen Bewerber trennte. Sie hegte nicht den leisesten Wunsch, für einen weiteren einfältigen Hanswurst ein anmutiges Lächeln auf ihr Gesicht zu zaubern; und sie hoffte von ganzem Herzen, ja, sie betete darum, daß die Straße leer blieb und kein Reisender sich zeigte. Und selbst wenn eine vom Regen morsch gewordene Brücke unter der Kalesche des Dahinfahrenden zusammenbrechen und mit Mann und Maus für immer in den schäumenden Wassern versinken sollte, würde sie kaum Kummer darüber verspüren. Der Mann war ihr ein Fremder, ein gesichtsloses Wesen, allein erkennbar an seinem Namen, den sie erst kürzlich erfahren hatte. Silas Chambers! Als welche Art Mann würde er sich erweisen?
    Erienne sah sich in dem bescheidenen Wohnzimmer um und fragte sich, wie er ihr Heim sehen würde, und ob er seine Geringschätzung offen zur Schau trüge. Obwohl das kleine Haus von außen so schmuck war wie nur eines in der Stadt, deutete die spartanische Einrichtung nur zu offen auf den Mangel an Geld. Gehörte das Haus nicht zur Stellung ihres Vaters, wäre es ihm wohl kaum möglich gewesen, sich diese Unterkunft zu leisten.
    Befangen glättete sie den abgetragenen Samt ihres pflaumenfarbenen Kleides. Hoffentlich fiel es nicht sofort ins Auge, daß sein Stil längst nicht mehr in Mode war. Zu oft war ihr Stolz von der hochmütigen Arroganz gezierter Stutzer verletzt worden, die sich ihr weit überlegen vorkamen und keine Hemmung hatten, diese Tatsache nicht zu verbergen. Ihr Mangel an Mitgift wog so armselig leicht gegen deren schweren Börsen. Sie sehnte sich danach, diesen von

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