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Das Geheimnis der Schwestern

Das Geheimnis der Schwestern

Titel: Das Geheimnis der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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Vater saß nur da und sagte kein Wort, ballte nur immer wieder die Fäuste. Sie sah, wie er vor Zorn die Lippen zusammenpresste, sah aber auch, dass sie zitterten und dass er seinen Töchtern nicht in die Augen blicken konnte. Und zum ersten Mal in ihrem Leben sah sie ihn so wie Vivi Ann: als einen Mann, der nicht im mindesten seine Gefühle zeigen konnte.
    Sie ging zu ihm und kniete sich vor ihn hin. Ihr ganzes Leben lang hatte sie sich in seiner Gegenwart schwach gefühlt; aber jetzt wusste sie, dass sie von ihnen beiden die Stärkere war. Vielleicht war das schon immer so gewesen. »Komm mit, Dad. Wir sind die Greys, und nur das zählt. Zeig uns, wie du wirklich bist, wie du früher warst.«
    Er sah sie nicht an, vielleicht konnte er es nicht. Stattdessen stand er auf, ging in sein Arbeitszimmer und knallte die Tür hinter sich zu. Sie musste sie nicht öffnen, um zu wissen, dass er jetzt an seinem üblichen Platz am Fenster stand und auf seinen Garten, sein Land starrte, während er sich einen Drink machte, obwohl es erst früh am Morgen war.
    Brach er innerlich zusammen, oder lachte er? Bedeutete es ihm etwas, dass er bestimmte Dinge nicht sagte oder tat? Oder war ihm alles gleichgültig? Tragischerweise wusste sie das nicht, würde es wahrscheinlich auch nie erfahren. Nur er allein wusste, was er fühlte oder nicht fühlte. Sie wusste nur, dass sie dieses eine Mal Mitleid mit ihm empfand. Er hatte sich entschieden, eine einsame, abgeschiedene Insel zu sein. »Gehen wir«, sagte sie und tauschte einen vielsagenden Blick mit Aurora. »Er hat sich entschieden.«
    Die ganze Nacht liebten Vivi Ann und Dallas sich, machten sich wieder miteinander vertraut und sprachen darüber, wie Winona sie gerettet hatte. Als endlich die Sonne über einem kornblumenblauen Himmel aufging, setzten sie sich in ihrem Nest aus Laken auf und sprachen über das, was wirklich wichtig war.
    »Noah ist ein toller Junge geworden, Vivi. Du hast Großartiges bei ihm geleistet. Wir waren gestern den ganzen Tag zusammen.«
    »Nein, ich war eine schreckliche Mutter«, widersprach Vivi Ann leise und schämte sich erneut, wie sie ohne Dallas zusammengebrochen war.
    »Nicht«, sagte er. »Wir haben schon genug Zeit verloren. Keine Selbstvorwürfe mehr. Meinst du, ich könnte mich nicht ohrfeigen, weil ich dich bei deinen Besuchen einfach hab sitzenlassen? Ich war so gottverdammt versessen darauf, edelmütig zu sein.«
    »Aber ich hab trotzdem irgendwann aufgegeben.«
    Er sah sie lächelnd an, strich ihr das schweißfeuchte Haar aus der Stirn und küsste sie noch einmal. »Ich habe auch kapituliert. Aber all das ist jetzt nicht mehr wichtig.«
    Sie wollte ihn etwas fragen, aber da klopfte es an der Tür.
    »Das wird Dad sein«, sagte Vivi Ann. »Er fragt sich bestimmt, wo zum Teufel das Frühstück bleibt.«
    Sie stieg aus dem Bett, zog sich den Bademantel an, ging zur Haustür und öffnete sie.
    Da stand ihre ganze Familie vor ihr und lächelte sie an. Das heißt: fast die ganze Familie. Ihr Vater fehlte. Das schmerzte ein wenig und erinnerte sie an das, was sie lieber vergessen hätte: eine Beziehung, die beendet war oder nie bestanden hatte. Selbst das wusste sie nicht.
    »Hey, Mom«, begrüßte Noah sie und lenkte ihren Blick wieder auf die Menschen, die vor ihr standen.
    Sie blickte zuerst zu Winona und floss über vor lauter Liebe zu ihr. »Du bist meine Heldin«, sagte sie und verlor ein kleines bisschen die Fassung. Sie umarmte sie heftig und flüsterte: »Danke.« Als sie sich wieder von ihr löste, hatten beide Tränen in den Augen.
    Dallas trat neben sie und schlang besitzergreifend den Arm um ihre Taille. Als wäre dies der Auslöser gewesen, kamen alle zueinander und umarmten sich unter Tränen. Als sie sich schließlich wieder voneinander lösten, stand Vivi Ann überraschenderweise auf einer Wiese, hielt die Hand ihres Mannes und blickte unter Tränen auf ihre Familie – die Greys – und das Land, das sie prägte. Von ihrem Platz aus konnte sie im fahlen Herbstlicht die riesigen Nadelbäume hinter dem Cottage sehen, die ihre Wurzeln tief in den fruchtbaren Boden getrieben hatten. Sie blickte zu den sanft geschwungenen Weiden, die wieder grün würden, wenn die Frühlingssonne zurückkäme. Unter dem Reitstall lag das Haus, in dem sie aufgewachsen war, ein Mädchen unter Mädchen, das immer gewusst hatte, wohin es gehörte. Das würde sie weitergeben, nicht nur an ihren Sohn, sondern auch an ihren Mann, der bis jetzt nicht wusste,

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