Das Geheimnis der toten Vögel
Zeitschrift gelesen, dass es eine Geschlechtskrankheit gibt, die Chlamydia heißt, eine Art Papageienkrankheit. Wenn Tauben die kriegen, können sie eine Lungenentzündung bekommen und sterben.« Sonja schüttelte sich vor Schaudern.
»Aber so war es doch nicht, Sonja. Als Björkman von seinen Tauben Lungenentzündung bekommen hat, da hieß es Papageienkrankheit, und das ist keine Geschlechtskrankheit. Du bringst das durcheinander. Du kannst nicht einfach Sachen über andere Leute verbreiten, wenn du nicht begreifst, wie es wirklich ist.«
»Und was machen Sie jetzt? Wer beerbt ihn denn, sein Bruder womöglich?«, fuhr sie in mürrischem Ton fort. »Oder die Nichte? Sie wissen sicher, dass das Mikaela Nilsson ist, die in der Regierung sitzt. Als Gleichstellungsministerin. Na, aber die wird ja Geld haben. Es war sowieso nie richtig klar, wer von den beiden Brüdern ihr Vater ist, Ruben oder Erik.«
»Das geht uns nichts an, Sonja.« Cederroth schüttelte seinen Kopf mit dem zerzausten Haar. Das Verhalten seiner Ehefrau war ihm sichtlich peinlich, aber er antwortete ihr dennoch. »Ruben hätte sicher nicht gewollt, dass Erik ihn beerbt, das ist ja wohl klar. Bestimmt hat er irgendwo ein Testament versteckt.«
Als Ek einen dritten Kaffee ablehnte und sich verabschieden wollte, begleitete Petter Cederroth ihn zur Tür. Die Höflichkeit verlangte das, aber es fiel ihm schwer, vom Tisch aufzustehen. Der Kopf schmerzte, und jeder Muskel im Körper war verspannt. In der letzten halben Stunde hatte Petter sich einfach nur gewünscht, sich wieder hinlegen zu dürfen, aber Sonja hatte alles aufgefahren, was die Speisekammer zu bieten hatte. Sie wollte dem Polizisten offensichtlich beweisen, dass sie keine schlechtere Hausfrau war als die Köchin.
»Was geschieht jetzt?«, wollte Petter wissen. »Ich meine wegen der Beerdigung und so? Wer kümmert sich darum?«
»Das werden wohl die nächsten Angehörigen tun müssen, es sei denn, im Testament ist etwas anderes verfügt. Aber er kann erst beerdigt werden, wenn die Ermittlungen abgeschlossen sind. Wir werden von uns hören lassen. Im Moment gibt es nichts, was auf ein Verbrechen hinweist, aber wir warten mal die Obduktion ab.«
»Er soll obduziert werden?« Petter rieb sich mit der Hand über die Bartstoppeln. »Ist es denn notwendig, auf diese Weise Steuergelder zu verschwenden? Er war doch alt. An irgendwas wird man ja wohl sterben dürfen.«
9
Jonatan Eriksson, Infektionsarzt im Krankenhaus von Visby, legte den Hörer auf und stützte den Kopf in die Hände. Ihm war nur noch nach Weinen zumute. Wenn er allein gewesen wäre, hätte er nicht dagegen angekämpft. Die Müdigkeit und eine ständig nagende Angst verursachten ihm Übelkeit. Die Frau von der Ferienbetreuung, die Blonde mit der kleinen Zahnlücke, wollte nur kurz Bescheid sagen, dass Nina nicht mit Malte gekommen sei und dass alle dastünden und warteten, denn sie wollten einen Ausflug machen. Ja, doch, sie hätte mehrmals versucht, bei Nina zu Hause anzurufen, aber es sei niemand rangegangen. Ob sie vielleicht verschlafen hätten? Das wäre ärgerlich, denn Maltes Mama hätte ja versprochen, einige von ihnen mit dem Auto mitzunehmen. Jetzt am Morgen noch jemand anders von den Eltern zu finden, sei nicht so einfach.
Verdammt, wie wenig doch nötig war, um die Sorge zu wecken, die immer wie ein dumpfer Schmerz in seinem Bauch vorhanden war. Es musste ja nicht das Schlimmste geschehen sein. Es konnte doch wirklich sein, dass die beiden einfach verschlafen hatten.
Jonatan fuhr den Computer hoch und griff nach dem Mikrofon, doch er fand nicht die richtigen Worte. Mehrere Nächte ohne Schlaf versetzten ihn in eine seltsame Art der Aphasie, er suchte nach Substantiven und konnte sich nicht mehr an den Namen seines engsten Mitarbeiters erinnern. Wenn die normalen Leute draußen mal begreifen würden, in was für einem Zustand ein diensthabender Arzt nach so einer Schicht war, dann würden sie nicht mehr so vertrauensvoll ihr Wohl und Wehe in seine Hände legen. Ein Lastwagenfahrer muss nach viereinhalb Stunden eine Pause machen, ein Arzt darf rund um die Uhr arbeiten, und man erwartet dennoch von ihm, dass er Mitgefühl zeigt. Jonatan versuchte, seine privaten Sorgen wegzuschieben, und konzentrierte sich in diesen letzten Minuten, ehe er das Krankenhaus würde verlassen können, auf die Arbeit.
Am Morgen war eine Frau gestorben, und jetzt, eine Stunde
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