Das Geheimnis der toten Vögel
doch toll, nicht?«
»Nur wenn Emil mitkommt. Sonst ist es für Helmer langweilig. Weißt du was, Mama, Onkel Hartman hat Kirschen gekauft und mir welche davon gegeben, aber ich wollte sie nicht essen, denn die Vögel hatten davon gefressen. Ich habe gesagt, dass Helmer allergisch ist. Es ist doch total eklig, dass die Vögel an den Kirschen gepickt haben, man isst doch nichts, woran schon jemand anders geleckt hat. Vielleicht haben sie diese Grippe, und dann suchen sie Würmer. Igitt! In einer Kirsche war ein Wurm. Der hat rausgekuckt und mit dem Kopf geschüttelt. Iss mich nicht auf, iss mich nicht auf, hat er gepiept.« Und dann sang sie mit ihrer schönen kleinen Stimme: »Niemand mag mich, keiner liebt mich, nur weil ich Würmer fresse. Beiße den Kopf ab, sauge den Schleim raus, werfe die kleine Haut weg.« Am Ende war sie dann doch mit all ihren Kuscheltieren im Bett eingeschlafen.
Als Maria sich auf dem Sofa im Wohnzimmer niedergelassen hatte, wurde sie erneut mit dem Gesicht der Seuchenschutzärztin auf dem Fernsehschirm konfrontiert, am anderen Ende des Tisches saßen der Gesundheitsminister, ein Vertreter der Sozialverwaltung und einige lokale Politiker. Es ging um Prioritäten. Die Politiker, die sich zu ihrer Tagung in Almedalen versammelt hatten, hatten am Abend eine zusätzliche Zusammenkunft zum Thema Vogelgrippe anberaumt. Dort diskutierte man über Prioritäten. Welche Personen in der Gesellschaft als Erste Zugang zu Tamiflu erhalten sollten. Der Plan, den die Krisenstäbe und die Sozialverwaltung ausgearbeitet hatten, wurde stark kritisiert, weil er so wenig detailliert war. Was geschah, wenn man die bevorzugten Gruppen gegeneinanderstellen musste, weil die Medikamente nicht ausreichten? Warum sollten Menschen über fünfundsechzig Jahre Medikamente bekommen, hingegen nicht Kinder in Tagesstätten oder Schulkinder, die sich in einer Umgebung aufhielten, wo leicht Infektionen übertragen wurden? Warum wurden sie nicht bevorzugt?
»Zunächst einmal müssen die Infizierten Hilfe bekommen, dann diejenigen, die einer Ansteckung ausgesetzt waren oder aus irgendeinem anderen Grund ein herabgesetztes Immunsystem haben, herz-oder lungenkrank sind, alt oder auf andere Weise geschwächt«, meinte Åsa Gahnström. Doch die Liste der Politiker sah anders aus. Zunächst sollten Regierung, Reichstag, Landes-und Kommunalpolitiker und die Beamten der Landesregierungen Zugang zu den Medikamenten bekommen und dann die Personen, die im Krankenhaus arbeiteten, das Ambulanzpersonal und diejenigen, die in der Elektrizitäts-und Wasserversorgung und bei der Müllabfuhr arbeiteten. Auch die Leute, die Lebensmittel produzierten und transportierten, mussten geschützt werden.
»Als die Spanische Grippe herrschte, waren die meisten, die starben, im Alter zwischen zwanzig und vierzig Jahren. Muss man bei der Vogelgrippe dieselbe Entwicklung befürchten?«, fragte der Moderator und wandte sich an die Seuchenschutzärztin.
»So wie es aussieht, haben wir die Situation unter Kontrolle. Wenn wir es schaffen, diese Linie konsequent durchzuhalten, glaube ich, dass das Risiko für eine weitere Verbreitung in der Gesellschaft recht klein ist. Im Moment gibt es keinen Grund zur Besorgnis.« Maria sah, wie sich die Röte über Åsa Gahnströms Wangen ausbreitete. Offenbar fühlte sie sich unter Druck gesetzt.
»Was denken Sie, werden Lehrer und Erzieherinnen sagen, wenn Sie ihre Arbeit nicht für wichtig einschätzen?«, fragte der Moderator und sah die Seuchenschutzärztin und den Gesundheitsminister herausfordernd an. »Was glauben Sie, werden die Putzfrauen denken und die Journalisten? Woher sollen die Leute wissen, was geschieht, wenn ihnen niemand davon erzählt? Gibt es überhaupt eine Gruppe in der Gesellschaft, die keine Priorität haben sollte? Die Kulturschaffenden? Die Arbeitslosen? Die sozial Ausgegrenzten? Die Asylsuchenden? Gibt es überhaupt genug Medikamente, dass es für alle reicht? Gemeinsam mit dem schwedischen Volk verlange ich eine Antwort auf diese Frage. Wie gut sind wir vorbereitet?«
Die Seuchenschutzärztin errötete bis zu den Haarspitzen.
»Wir sind gut vorbereitet, und auf lange Sicht werden, wenn es erforderlich ist, alle Zugang zu Medikamenten haben. Momentan wollen wir mit einer übermäßigen Verwendung des Medikamentes vorsichtig sein, denn es besteht das Risiko, dass eine Resistenz entsteht. Eine allgemeine prophylaktische Behandlung ist nicht nötig, solange
Weitere Kostenlose Bücher