Das Geheimnis der toten Vögel
hinunter.
»Es ist Sonja Cederroth, wir schaffen es nicht. Es ging ihr plötzlich viel schlechter. Wir haben Furix gespritzt, aber sie hat keinen Urin mehr, und der Sauerstoffumsatz ist katastrophal schlecht. Sauerstoff bei 64 Prozent.«
»Wo ist Morgan Persson? Sollte er nicht heute Nacht arbeiten?«
»Dr. Persson ist in der Schule in Klinte beschäftigt. Zwei Jungen und einer der Trainer haben Symptome. Sie sind mit dem Notarzt auf dem Weg hierher. Und Dr. Hammar ist verschwunden. Karin an der Rezeption hat gesagt, er sei rausgegangen, um eine zu rauchen. Ich hatte nämlich gesagt, er dürfe hier drinnen nicht rauchen. Sie konnte ihn nicht daran hindern. Was machen wir jetzt?«
»Bereiten Sie einen Respirator vor. Wir fangen mit fünf Litern Sauerstoff an. Aber vorher will ich noch mal das Arteriengas ermittelt haben. Es kann auch venös sein«, meinte Jonatan mit einem Blick auf den Zettel mit dem Untersuchungsergebnis.
»Glaube ich nicht«, sagte die Schwester. »Sie sieht todkrank aus, die Nägel sind völlig blau, das Gesicht graubleich. Unter der Maske ist schwer zu erkennen, ob sie eine Lippenzyanose hat, aber das können wir wohl annehmen. Unregelmäßiger Puls bei 120, Blutdruck nicht messbar. Ich glaube nicht, dass wir sie durchkriegen.«
Kostbare Minuten vergingen, während sie ihre Schutzausrüstung anlegten und in den Untersuchungsraum gingen. Dort saß Petter Cederroth bei seiner Frau auf der Bettkante und hielt sie umarmt. Eine Krankenschwester in Schutzkleidung und Visier war dabei, Sauerstoff an den Respirator anzuschließen. Das Pulsoxymeter piepste. Der Sauerstoffgehalt sank immer weiter, und auf dem Display waren nur noch gerade Striche zu sehen. Jonatan fühlte nach dem Puls an ihrem Hals.
»Wir verlieren sie!« Er riss die Sauerstoffmaske ab und drückte die Beatmungsmaske über Sonjas Gesicht. Rhythmisch begann er mit der schwarzen Gummiblase Luft einzupumpen, während die Krankenschwester den Sauerstoff anschloss. Das Kopfende des Bettes wurde weggerissen, die Reanimationsplatte wurde unter die Frau geschoben, und die Herzmassage begann. Das Schweigen war drückend. Kurze Kommandos und notwendige Erläuterungen – keine anderen Geräusche wurden zugelassen.
»Defibrillator.«
Der stand schon bereit. Er hielt die Platten über die Brust der Frau, um einen Stoß zu geben.
»Es geht los.«
Alle, die sich um das Bett versammelt hatten, machten einen Schritt zurück. Ein neuer Stoß ließ den Körper der Frau im Bett hochfahren, dann fiel er ebenso schlapp wie zuvor zurück. Trotz hartnäckiger Versuche konnten sie sie nicht retten.
Das Zimmer war ein Chaos aus Apparaten und Schläuchen. Auf dem Bett nebenan saß Petter Cederroth, verschreckt und allein gelassen, und kratzte sich ununterbrochen am Arm. Kratzte sich blutig, damit der Schmerz ihn aus dem höllischen Albtraum retten möge, in dem er sich befand. In der Not der Stunde hatte sich keiner um ihn kümmern können. Unter normalen Umständen hätte er das Zimmer mit jemandem verlassen müssen, der bei ihm geblieben wäre. Er hätte nicht sehen dürfen, was er jetzt sah. Aber die Umstände waren nicht normal, in dieser Situation gab es keine sicheren Routinen, an die man sich halten konnte. Das Infektionsrisiko machte alles umständlicher und zeitraubender, und das Mitgefühl durfte erst an zweiter Stelle kommen, wenn es darum ging, Menschenleben zu retten.
»Ist sie tot?« Seine Stimme war sehr schwach und durch die Schutzmaske kaum zu hören.
»Ja, es tut mir schrecklich leid. Wir haben sie nicht retten können.« Jonatan sank neben Petter Cederroth auf dem Bett zusammen und legte den Arm um seinen Rücken. Es gab keine Worte des Trostes. Er konnte nur sein schweigendes Mitgefühl geben. Es fühlte sich mehr als dumm an, durch den Atemschutz zu reden, aber Jonatan widerstand dem Impuls, sich die Maske runterzureißen.
»Bin ich als Nächster dran? Ist es so verdammt ansteckend?«
»Wir wissen nicht, wer betroffen sein wird. Ich glaube nicht, dass für Sie eine große Gefahr besteht. Es geht Ihnen doch nicht schlechter als gestern, oder?«
»Meine Sonja.« Jonatan nahm an, dass Petter Cederroth weinte, man hörte keinen Laut, aber die Schultern zuckten, und von der Maske fiel ein klarer Tropfen auf das weiße Hemd herab. »Ich habe mir etwas überlegt«, sagte der Taxifahrer in ganz anderem Ton. »Es gibt da etwas, was ich nicht erzählt habe, damals, als
Weitere Kostenlose Bücher