Das Geheimnis der toten Voegel
sie einen herzlichen Empfang mit Wein und gutem Essen und vielleicht einer Massage bereiten würde. Warum stand sonst die Massagebank da? Maria trat näher heran und schob die Laken beiseite sowie die Weizenkornkissen, die die Techniker aufgeschnitten und ausgeleert hatten. Wenn Sandra schnell etwas hätte verstecken wollen, ehe sie die Tür öffnete, wie hätte sie es dann gemacht?
Maria befühlte das Polster der Massagebank. Es war ordentlich in den Holzrahmen genagelt und geleimt. Die Kopfstütze ließ sich herausziehen, doch in den Löchern der Holzstifte, die sie am Platz hielt, war nichts versteckt, und das Polster selbst war ebenfalls intakt. Maria ließ die Hände zu den Armstützen an den Seiten gleiten. Plötzlich spürte sie, dass es eine Stelle gab, wo die Finger zwischen Kissen und Holzkonstruktion passten. Sie holte ihre Tasche und zog die Latexhandschuhe an. Dort in der weichen Füllung spürte sie etwas Kühles, Zylinderförmiges an ihrer Hand. Schon bald hielt sie eine Spritze in der Hand. Sie war mit einer klaren Flüssigkeit gefüllt und mit einem Text in russischen Buchstaben beschriftet. Maria holte die Spritze aus ihrer Plastikverpackung und stellte fest, dass sich die Kanüle nicht entfernen ließ.
Hans Moberg hatte gesagt, dass er die Wohnung kaputt geschlagen habe, aber hatte er wirklich den ganzen Schaden selbst verursacht? Vielleicht hatte jemand nach dieser Spritze gesucht. Aber warum? Enthielt sie irgendetwas extrem Gefährliches?
Im selben Moment hörte sie Schritte auf der Treppe und jemanden, der vor der Tür stehen blieb. Maria steckte die Spritze in die Armstütze zurück und hakte diese wieder ein. Das Geräusch eines Schlüssels in der Wohnungstür schickte einen Adrenalinstoß durch ihren Körper. Natürlich! Der Mörder von Sandra Hägg war mit einem eigenen Schlüssel in die Wohnung gekommen und hatte ihn dann an der Schnur hängen lassen, damit jeder in die Wohnung kommen konnte. So würde niemand darüber nachdenken, wie der Mörder in die Wohnung gekommen war, ohne einzubrechen. Der Rest war ein einfaches Spiel. Schon der Gedanke, dass Sandra sich im Warten auf einen unbekannten Mann, der sich mit einem an einer Schnur festgemachten Schlüssel Einlass in die Wohnung verschaffen konnte, ins Bett gelegt hatte, war völlig absurd – vor allem, wenn man mal einen Blick auf Hans Moberg geworfen hatte. Jetzt wurde der Schlüssel im Schloss umgedreht. Maria hockte sich hinter das Sofa, das mitten im Zimmer stand, als sie hörte, wie die Tür geöffnet wurde.
37
Das Gesicht auf den Fußboden gedrückt, sah Maria die großen braunen Turnschuhe, die sich über das Parkett bewegten. Ganz vorsichtig, ohne ein Geräusch von sich zu geben, versuchte sie, den Kopf so zu drehen, dass sie sehen konnte, wer es war, aber das war unmöglich. Sie hörte, wie eine Schublade geöffnet und wieder geschlossen wurde, und beobachtete die Schuhe, die sich durch das Zimmer bewegten, wo sie zusammengekauert lag. Wenn er nur nicht auf die Idee kam, zum Bücherregal zu gehen, dann würde er sie entdecken. Natürlich hätte sie nicht allein hierher fahren dürfen. Die Schritte verschwanden Richtung Küche. Schranktüren wurden geöffnet und wieder geschlossen. Das Radio wurde angestellt. Hardrock in voller Lautstärke. Wenn sie jetzt schrie, würde es kaum jemand hören. Es klang, als würde er ins Schlafzimmer gehen. Schubladen wurden geöffnet und Türen zugeschlagen. Wonach suchte er? Sie musste herausfinden, wer es war. Maria ging in die Hocke und versuchte, hinter der Grünpflanze hervorzuschauen. Gleichzeitig hob eine sehnige Hand vor ihr die Obstschale vom Tisch.
»Was zum Teufel!« Lennie Hellström stolperte einige Schritte zurück. »Ich dachte, ich wäre allein hier. Sie haben mich zu Tode erschreckt!«
»Was machen Sie hier?«
»Hole meine Sachen, ehe Sandras Verwandtschaft behauptet, es wären ihre. Ich habe meine Gitarrensaiten und das Metronom und die Noten geholt, die mir gehören, und wenn Sie mal da weggehen würden, könnte ich auch an meine E-Gitarre kommen.«
»Sie haben also immer noch einen Schlüssel zur Wohnung?«
»Ja, ich habe Sandras Blumen gegossen und ihre Post hereingeholt, als sie im Mai mit Jessika in der Türkei war. Sie hat mich darum gebeten, ihn wieder zurückzugeben, aber daraus wurde nichts, ich wollte ihn behalten. Insgeheim habe ich gehofft, dass sie mich wieder zurücknehmen würde. Wir hatten nur zwei Schlüssel, keinen in Reserve.«
»Wer könnte noch
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