Das Geheimnis der toten Voegel
Medikamenten resultierte. Der Politiker, der den Leuten die meisten Medikamente versprach, siegte.
In Weißrussland war die Kampagne der Pharmaindustrie gescheitert. Es gab schlichtweg nicht genug Geld, um Medikamente zu kaufen. Durch die Isolation eines Dorfs bekam man die Vogelgrippe vorläufig in den Griff, und der Pharmaproduzent musste Konkurs anmelden. Das Lager mit den Medikamenten und Impfstoffen wurde vom Desponia-Konzern aufgekauft. Florians Meinung nach aus reiner Spekulationsgier, die sich dann als Fehler erwies, denn beim späteren Ausbruch wurde die Vogelgrippe durch einen anderen Virustyp ausgelöst, und Impfstoff und Medikamente waren unwirksam geworden.
Dann beschrieb er die harte Konkurrenz der Konzerne auf dem Weltmarkt. Niedrigere Löhne, längere Arbeitszeiten, weniger Urlaub, Schichtarbeit ohne Sondervergütung, härtere Vermarktungsmethoden. »Vielleicht schaffen wir selbst die Arbeitsbedingungen, die wir nicht haben wollen, indem wir Aktien von den Betrieben kaufen, die am besten konkurrieren, und nicht von denen, die die höchste Moral haben« – so lautete sein Schlusssatz.
»Hältst du es immer noch für unwahrscheinlich, dass Sergej Bykov bei Ruben Nilsson eine infizierte Taube platziert hat?«, fragte Maria.
»Ich hoffe, dass du falsch liegst, aber es kann durchaus sein. Wie gehen wir jetzt weiter vor? Wie findet man Beweise dafür?«
»Ich würde gern noch einmal Sandra Häggs Wohnung sehen, ehe die Versiegelung aufgehoben wird. Vielleicht ist das eine Verschwendung von kostbarer Zeit, aber manchmal muss man langsamer vorgehen, damit die Gedanken mitkommen. Ich spreche mich mit den Technikern ab, ob das in Ordnung ist, und dann fahre ich hin.«
Maria Wern schnitt das Siegel durch und öffnete die Tür zu Sandra Häggs Wohnung. Die eingeschlossene Luft schlug ihr unerwartet scharf entgegen. Der Vermieter hatte darum gebeten, die Wohnung renovieren zu dürfen, und war interessiert daran, dass die Familie so schnell wie möglich Sandras Sachen abholte. Jeden Tag, an dem die Wohnung nicht vermietet war, gingen Mieteinnahmen verloren, und es ging nicht gerade um wenig Geld. Er hatte angerufen und die Sache mit Hartman besprochen, und Hartman war willens gewesen, die Versiegelung aufzuheben, aber Maria hatte noch warten wollen. Es war nur so ein Bauchgefühl gewesen.
Ohne zu wissen, wonach sie eigentlich suchte, öffnete Maria das Türchen der schönen alten Wanduhr. Im Wohnzimmer waren die Jalousien heruntergezogen. Maria zog sie hoch, um besser sehen zu können. Die Einrichtung war noch schlimmer zerstört, als sie es in Erinnerung hatte. Die Scheiben des Vitrinenschrankes waren zerschlagen, auf dem Fußboden lagen Scherben. Die Gardine war heruntergerissen. Die weißen Blumen waren in ihren Vasen verwelkt. Einige Bücher lagen auf dem Fußboden. Die Trauben und Kirschen konnte man nur noch wegwerfen. Auf wen hast du gewartet, Sandra? Auf Florian Westberg oder vielleicht auf Reine Hammar? Sicherlich nicht auf Hans Moberg, oder? Du hättest wohl kaum solch eine Mühe auf ein Geschäftstreffen mit ihm verwandt.
Die Massageliege war ein luxuriöses, breites Modell mit abnehmbarer Kopfstütze und zusätzlichen Armlehnen an den Seiten. Daneben stand ein großer, schmiedeeiserner Leuchter mit weißen Kerzen. In der Küche war mit Tellern, gefalteten Servietten und Weingläsern für zwei Personen gedeckt. Richtig einladend. Den Fleischtopf und die Ofenkartoffeln hatte jemand in den Kühlschrank gestellt. Gab es etwas, was du feiern wolltest? Hast du auf einen Liebhaber gewartet? Die Weinkaraffe wurde neben deinem Bett gefunden. Wer sollte zu dir kommen, Sandra? Du hattest dich schön angezogen. Die ganze Wohnung strömte Festlichkeit aus.
Maria stellte sich in die Türöffnung zum Schlafzimmer und betrachtete die Zerstörung. Der zerschlagene Spiegel. Die Kommodenschubladen, deren Inhalt über den Fußboden verstreut war; Strumpfhosen, Unterwäsche und Bettwäsche. Sie öffnete den Schrank und fühlte über die Regalböden. Alles war minutiös von den Technikern durchsucht worden, dennoch hatte sie das vage Gefühl, dass ihnen etwas entgangen sein könnte. Es hingen nur wenige Kleidungsstücke im Schrank, zumeist Markenkleidung. Bei der Arbeit trug Sandra ihre grüne Uniform. Da brauchte man in der Freizeit vielleicht nicht so viele Kleider. Maria stellte sich auf die Zehenspitzen, um an das oberste Regalbrett zu gelangen, und entdeckte einen Metallbehälter mit einem roten Kreuz,
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