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Das Geheimnis der Totenmagd

Das Geheimnis der Totenmagd

Titel: Das Geheimnis der Totenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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Prolog
    Die Fackeln waren fast schon heruntergebrannt, als er endlich von ihr abließ. Auch er schien allmählich am Ende seiner Kräfte zu sein.
    »Wer bist du?«, fragte er sie ein letztes Mal, während er sich ächzend erhob und mit blutigen Fingern seinen Hosenlatz zuknöpfte.
    »Ein Nichts und ein Niemand … ich bin ein Nichts und ein Niemand«, stammelte die Frau mit schwerer Zunge und wimmerte leise. Ihr Mund war von den vielen Schlägen wund und geschwollen, alles tat ihr weh. Das Gesicht, der Kopf, jeder Knochen im Leibe. Am höllischsten aber waren die Schmerzen an ihrem Geschlecht. Unzählige Male war er mit roher Gewalt in sie eingedrungen, hatte auf sie eingeprügelt und sie gewürgt und ihr immer wieder die gleiche Frage gestellt. Sie hatte ihm schließlich die Antwort gegeben, die er hören wollte. Damit er endlich aufhörte.
    Ich bin ein Nichts und ein Niemand …
    »So ist es. Jetzt scheinst du es kapiert zu haben. Hat ja auch lange genug gedauert«, blaffte er sie an und zog ein Glasfläschchen aus seiner Hosentasche. »So, das säufst du jetzt, damit du einen leeren Kopf bekommst«, befahl er und träufelte ihr etwas davon in den Mund. »Nicht, dass in dem allzu viel drin wär. Aber das wenige, was drin ist, ist lauter dummes Zeug.«
    Er grinste höhnisch auf sie herunter, ergriff eine der Fackeln, löschte die übrigen und stapfte breitbeinig aus dem Verlies.
    Sobald sie seine Schritte nicht mehr hörte, steckte sie sich einen Finger in den Rachen und erbrach sich mit heftigem Würgen neben den Strohsack. Es kostete sie zwar einige Überwindung, denn sie hätte die betäubende, einschläfernde Wirkung der Droge weiß Gott gut gebrauchen können. Doch sie wusste genau, dass es kein Entrinnen mehr gab, wenn sie sich dem Rausch überlassen und wieder in die alte Lethargie fallen würde. Dann wäre sie rettungslos verloren. Entrückt wie all die anderen in eine dunkle Schattenwelt, die unaufhaltsam in den Tod mündete. Und sie wollte nicht sterben.
    Nein, alles in ihr schrie nach Leben!

1
    Frankfurt am Main, den 28. Oktober 1509
    Hildegard Dey zog die Tür des Frauenhauses »Zum Rosengarten« hinter sich zu und rümpfte die Nase. An diesem Oktoberabend roch es hier an der Frauenpforte keineswegs nach Rosen. Das brackige Wasser des nahen Stadtgrabens, die Fäkalien, die in den Main geleitet wurden, und die Fleischabfälle der nahen Gerbereien verströmten einen penetranten Kloakengeruch. Mit beiden Händen hielt die junge Hübscherin ihren langen dunklen Umhang zusammen, den der Wind immer wieder aufbauschte. Niemand sollte das schwefelgelbe Untergewand sehen, das sie als wohlfeile Frau kenntlich machte. Hildegard seufzte. Ein einziges Wort ihres Geliebten, und nur zu gern würde sie ihren schändlichen Erwerb aufgeben. Ihm jedoch schien vor allem daran gelegen, dass das Verhältnis, das sie seit nahezu drei Monaten miteinander hatten, nicht ruchbar wurde. Was sie, auch wenn es schmerzte, verstehen konnte, denn wer eine feste Liaison zu einer Hübscherin aus dem Frauenhaus unterhielt, wurde aus jeder Zunft ausgeschlossen und von der Allgemeinheit verachtet. Jemand wie er musste als angesehene Standesperson auf seinen guten Ruf bedacht sein.
    Die neunzehnjährige Hildegard gehörte zu den begehrtesten Huren der Stadt. Sie war es gewöhnt, dass die Männer ihr zu Füßen lagen und sie entsprechend hofierten und bezahlten. Lange genug im Gewerbe, war ihr Herz dabei immer unberührt geblieben. Auch wenn sie es trefflich verstand, ihren Verehrern glühende Leidenschaft vorzuspiegeln, war das Verhältnis zu ihren Galanen doch stets ein rein geschäftliches gewesen. Nie hätte sie sich träumen lassen, dass es einmal anders sein könnte. Ganz anders. Und nun hatte sie unverhofft die Liebe erfahren – mit allem, was dazugehörte.
    Als sie endlich in die Sandgasse einbog, wo ihr Geliebter in einem der imposanten Steinhäuser wohnte, zitterten ihr vor Aufregung und sehnsüchtiger Erwartung die Knie. In seinen Armen war sie unsagbar glücklich, sie hatte nur den Wunsch, dass dieser Zustand niemals enden möge. Geld nahm sie schon lange keines mehr von ihm, und wenn ihm daran gelegen gewesen wäre, hätte sie sich keinem anderen Mann mehr hingegeben. Doch das schien ihm egal zu sein. Ihm lag an Distanz, außer wenn er mit ihr schlief. Dann war er voller Leidenschaft und unersättlich. Er war der erste Mann, bei dem sie Lust empfand, und inzwischen konnte sie einfach nicht genug von ihm bekommen. Auch wenn er

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