Das Geheimnis Des Amuletts
hatten wir nun wirklich genug gehabt. Es war Zeit weiterzuziehen.
Das schien auch noch jemand anderes zu denken. Eines Tages beim Essen kam Celeste zu Evie. Sie wirkte unbeholfen. »Hey«, sagte sie nervös. »Kann ich mal eine Minute mit dir sprechen?«
»Natürlich«, sagte Evie, während sie versuchte, ihre Überraschung zu verbergen, und auf der langen Holzbank ein Stück beiseiterutschte, um Platz zu machen. »Setz dich. Worum geht es?«
»Es ist nur … es mag etwas komisch klingen, aber es geht um Laura.«
»Um Laura?«
»Ja, ähm … ich träume immer wieder von ihr. Und sie sagt immer wieder solche Dinge über dich. Komische Dinge.« Celeste errötete und wirkte extrem unsicher. »Du lachst bestimmt nur«, murmelte sie.
»Ist schon okay, Celeste«, erwiderte Evie. »Ich verspreche, dass ich nicht lachen werde. Was hat Laura in dem Traum gesagt?«
»Sie hat gesagt: Es ist nicht Evies Fehler, mach ihr keine Vorwürfe. Sie hat gesagt, dass ich dir Danke sagen soll. Und dann – das war das Seltsamste – hat sie gesagt, dass ich tanzen soll. Das Leben ist ein Tanz, sagt sie. Und ich habe diesen gleichen Traum jetzt schon seit Tagen. Er macht mich noch verrückt, deshalb musste ich es dir erzählen.« Ihr Gesicht wurde härter. »Ich vermute, du wirst jetzt allen sagen, dass ich vollständig bescheuert bin, aber das ist mir egal.«
»Ich werde kein Wort sagen«, versprach Evie. »Und ich bin froh, dass du es mir gesagt hast, Celeste. Danke.«
Celeste erhob sich, um zu gehen, aber dann drehte sie sich noch einmal um. »Es tut mir leid, dass ich gemein zu dir war. Ich wollte nicht … na ja, ich habe es mit Absicht gemacht, aber ich weiß wirklich nicht genau, warum. Und ich habe ja dieses Foto von Laura über dein Bett gehängt, um dich zu vertreiben. Heute Morgen habe ich mich entschieden, es runterzunehmen, und habe die Hausverwalterin gebeten, es abzuschrauben. Aber das Foto … es hat anders ausgesehen; sie hat gelächelt.«
»Ich glaube nicht, dass du noch weiter träumen wirst, oder zumindest nicht diesen gleichen Traum«, sagte Evie sanft. »Obwohl ich manchmal auch von meiner Mutter träume und mir das hilft.«
Celeste zögerte. »Deine Mutter ist tot, nicht wahr?«
»Ja. Ich weiß, wie es ist, wenn man jemanden verliert, den man liebt. Glaube mir, Celeste, ich verstehe dich wirklich. Ich werde da sein, wenn du reden willst.«
»Oh … na ja, vielleicht. Ich … bis später.«
Sie ging weg, ging zurück zu Sophie, die ein Stück weiter weg auf sie wartete. Ich war froh. Es war eine weitere kleine Heilung für Wyldcliffe. Agnes wäre stolz gewesen.
Und was mich betraf, ich hatte meine Schwestern und meine Freundinnen. Und ich hatte Cal. Für mich würde es immer Cal geben. Das Leben winkte uns zu sich, und wir waren bereit, es zu begrüßen. Helen war weitergegangen, und auch wir würden weitergehen, würden uns der Zukunft voller Hoffnung stellen.
Denn das schuldeten wir ihr, unserer verlorenen Schwester – der verrückten Helen Black.
Sechsunddreißig
Zeugnis von Evelyn Johnson
Der November verging, und der Dezember brachte Schnee. Er lag auf den Hügeln und dem Schulgelände, reinigte das Land und verbarg all die Narben und Wunden. Schon bald würde dieser Term vorüber sein. Dieser Teil unserer Geschichte wäre beendet, nichts weiter als eine Erinnerung an ein vergangenes Kapitel unseres Lebens. Ich empfand Trost durch Joshs ruhige, treue Liebe, durch die treue Freundschaft der lieben Sarah, durch Cals Stärke und selbst durch Velvets leidenschaftliche Dankbarkeit, dass sie schließlich in unseren Kreis hatte eintreten können. Aber ich musste immer wieder an diejenigen denken, die ich verloren hatte, während der Schnee in wirbelnden Flocken herabfiel, die wilde Landschaft sanfter wirken ließ und in Träume und Erinnerungen hüllte.
Sebastian, meine erste Liebe, der meine Welt mit seiner Schönheit und seinem Kummer für immer auf den Kopf gestellt hatte. Agnes, die von jenseits des Grabes gekommen war, um zu helfen, Wyldcliffe zu heilen. Sie beide hatten jetzt Frieden, bis wir uns im Licht des Einen wiederfinden würden. Und Helen – oh, ich dachte jeden Tag an Helen, jede Stunde. Ich fragte mich, welche neuen Wege sie jetzt beschritt, welche Wunder sie wahr werden ließ. Ich freute mich für sie, aber ich vermisste sie auch sehr. Der Schmerz in mir hatte einen schlichten Grund. Ich vermisste sie.
Eines Nachmittags ging ich in den Kunstraum. Obwohl sämtliche Erinnerungen an
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