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Das Geheimnis Des Frühlings

Das Geheimnis Des Frühlings

Titel: Das Geheimnis Des Frühlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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stolz.
    »In der Tat, es ist eine sehr schöne und noch dazu äußerst bedeutende Handelsstadt, die ihre seefahrenden Konkurrenten Pisa, Neapel und Genua bei weitem übertrifft.« (Drei weitere Städte, die ich noch nie gesehen hatte.) Botticelli hatte irgendetwas an sich, was in mir den Wunsch auslöste, intelligent und kultiviert zu erscheinen; ihm zu beweisen, das ich mehr war als nur ein billiges Paar Titten, daher plapperte ich wortwörtlich nach, was ich Bembo einmal hatte sagen hören. Aber ich musste wohl genau das Falsche gesagt haben, denn Botticelli wurde aschfahl und begann zu zittern.
    »Was habt Ihr da gerade gesagt?« Es war kaum mehr als ein Flüstern, das da über seine zusammengepressten, blau angelaufenen Lippen kam. Er war so geisterhaft blass, als würde er jeden Moment in Ohnmacht fallen.
    Was hatte ich denn gesagt? Vielleicht war der Maler von Florenz und dem Elendsviertel Ognissanti so fasziniert, dass er es nicht ertragen konnte, von den Vorzügen anderer Städte zu hören? Aber er war es gewesen, der auf die Schönheit Venedigs zu sprechen gekommen war. Um zu retten, was zu retten war, schwatzte ich wild drauflos. »Aber Florenz lässt sich natürlich mit keiner anderen Stadt vergleichen. Der Duomo, das Battistero, Eure eigenen prachtvollen Bilder...« Doch meine List funktionierte nicht. Er durchquerte mit drei Schritten den Raum und packte erneut mein Kinn, diesmal allerdings ausgesprochen grob. Ich bekam kaum noch Luft.
    »Sagt das noch einmal.«
    Ich konnte vor Angst kaum sprechen. Mein verwirrter Verstand schlug Haken wie ein verängstigtes Kaninchen, als ich versuchte, mich an meine genauen Worte zu erinnern. »Ich sagte, dass Venedig größer und bedeutender ist als Pisa oder Neapel oder Genua und...«

    Seine Finger gruben sich noch tiefer in mein Fleisch. »Was wisst Ihr von diesen Städten? Wer hat es Euch erzählt?«
    »Mir was erzählt?«, krächzte ich durch zusammengebissene Zähne, denn seine Hand umklammerte immer noch meinen Kiefer.
    Seine grauen Augen sprühten Feuer. »Wer hat Euch eingeweiht? War es Bembo?«
    »Wie bitte? Niemand hat mir irgendetwas erzählt, und niemand hat mich in irgendetwas eingeweiht. Wovon redet Ihr eigentlich?« Zum zweiten Mal an diesem Tag brannten Tränen in meinen Augen. Aber so rasch er mich gepackt hatte, so schnell gab er mich auch wieder frei und wandte sich ab, als fürchte er, sich in seinem Zorn nicht mehr unter Kontrolle zu haben. Meine Knie gaben unter mir nach, und das bemalte Kleid bauschte sich wie eine riesige seidene Blase um mich, als ich zu Boden sank. Noch immer zitterte ich am ganzen Leib. Doch als Botticell sich zu mir umdrehte, verstand ich die Welt nicht mehr, denn er lächelte.
    »Es tut mir leid, meine Liebe«, entschuldigte er sich. »Ich habe mir nach einem langen Tag einen Spaß erlaubt. Hat Euch mein kleiner Scherz gefallen?«
    Nun habe ich schon viele schlechte Schauspieler gesehen, schließlich lebe ich ja in Florenz. Die Straßen wimmeln hier von absolut unbegabten Mimen, die die Augen und Ohren ihres Publikums mit ihren Darbietungen beleidigen. Aber eine weniger überzeugende Vorstellung als die, die ich jetzt miterlebte, war mir noch nie geboten worden.
    Botticelli streckte mir eine Hand hin und zog mich auf die Füße. »Nur ein kleiner Witz über unsere Seefahrerstaaten. Kein Grund, ihn Bembo gegenüber zu erwähnen. Zieht Euch jetzt um, Signorina. Ihr könnt gehen.«
    Verwirrt zog ich mich hinter den Wandschirm zurück, wo ich die Szene noch einmal vor meinem geistigen Auge vorbeiziehen ließ. Irgendetwas war schiefgegangen, das war mir klar, aber mir hatte das, was auf den gewalttätigen Zwischenfall
gefolgt war, mehr Angst eingejagt als Botticellis Ausbruch selbst - das Leugnen, die Vertuschungsmanöver. In der sicheren Gewissheit, seinen Blicken entzogen zu sein, wallte Wut in mir auf. Ich hörte, wie der Künstler den Raum verließ und die Tür hinter sich schloss. Mit ihm verließ mich auch meine Furcht. Ich zerrte mir das Kleid vom Leib, als würde es meine Haut versengen; so hastig, dass ich den zarten fischschuppenähnlichen Stoff eines Ärmels zerriss, ohne deswegen auch nur die geringsten Gewissensbisse zu empfinden. Was für ein vergeudeter Tag! Ich hätte auf der Piazza unzählige Kunden anlocken können, doch inzwischen brach die Dunkelheit herein, und die Nachtwächter würden jede Hure verhaften, die sich nicht innerhalb ihrer eigenen vier Wände oder in einem fremden Bett tummelte. Ich hatte

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