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Das Geheimnis des Nostradamus

Das Geheimnis des Nostradamus

Titel: Das Geheimnis des Nostradamus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Flacke
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Flüchtlingen…«
    In dieser Gasse gab es keine herrschaftlichen Häuser. Die armseligen Hütten standen windschief aneinander gelehnt, als wollten sie sich gegenseitig stützen. Marie drückte den Bretterverschlag einer Unterkunft auf. Schon von draußen hörte sie das gequälte Husten ihres Vaters, während vier jüngere Geschwister ihr johlend entgegensprangen. Bald war nur noch das Geklapper von Blechlöffeln zu hören. Der Geruch von zerkochtem Kohl drang durch die schmalen Fensterritzen.
    Zur gleichen Zeit falteten die beiden Kuttenträger verstohlen ein Leinentuch auseinander. Darin schillerte ein Glasröhrchen mit einer seltsamen Substanz. Es quietschte leise, als der eine den Korken herauszog. Seine Hand wanderte wie ein heller Fleck von der Kutte zum Brunnenrand. Dann ließ er das Blut vermischt mit gelbem Eiter in das Brunnenwasser tropfen.
     
     
    Als Marie am nächsten Morgen die Tür zum Arzthaus öffnete, hörte sie schon von Weitem die erregte Stimme des Nostradamus. Sie überschlug sich fast, die Worte holperten übereinander und zerrten wie haarfeine Widerhaken an ihren Nerven. Eine unbekannte Stimme redete beruhigend auf ihn ein. Trotzdem klang das eintönige Zischeln drängend und auffordernd. Als Marie auf Zehenspitzen näher schlich, fügten sich erste Wortfetzen zusammen und nahmen immer mehr Gestalt an. »Ihr müsst sofort los, Ihr als berühmter Arzt! Die Pest hat sich wie ein gieriges Ungeheuer die Flüsse hochgefressen!«
    »Und die Menschen hier?«, polterte Nostradamus gereizt. »Seht Euch doch um. Sie leiden an Brechreiz, an entzündlichen Geschwüren, an Parasiten und Fieber…«
    »Das liegt an den Entbehrungen von der Flucht…«
    »Ihr wisst, dass das Zusammenleben so vieler auf engstem Raum die teuflischsten Krankheiten begünstigt!«
    »Hier gibt es genügend Ärzte, die sich darum kümmern können. Mehr liegt sowieso nicht in unserer Macht. Über alles andere entscheidet das himmlische Gericht. Es ist gottgegeben, wenn Seuchen…«
    »Gottgegeben!«, fuhr Nostradamus ihn spöttisch an. »Es ist doch wohl eher gottgegeben, dass wir unsere Geisteskraft nutzen sollen, um der Krankheiten Herr zu werden. Oder stopft Ihr weiter die Kapaune und Buttertorten in Euch hinein, wenn Ihr wisst, dass es mit Euren Magensäften im Argen liegt? Es ist die unsaubere Luft, der Unrat, das verdorbene Wasser! Das macht die Flüchtlinge…«
    »Gut und schön«, unterbrach die samtene Stimme des Fremden. »Aber ich glaube doch eher, dass Euch die Angst vor dem schwarzen Tod in die Glieder gefahren ist!«
    Marie bückte sich und linste neugierig durchs Schlüsselloch, das wie ein heller Fleck in der Dunkelheit aufschimmerte. Im Labor fuhr Nostradamus gerade zu dem Fremden herum. »Ich und ängstlich? Verflucht noch mal, wer hat denn bis jetzt der Pest die Stirn geboten? Wer hat sich in die Häuser der Todkranken gewagt? Wer hat nachts bis zur völligen Erschöpfung an Tinkturen und Tropfen gemischt, um dem schwarzen Tod Einhalt gebieten zu können?«
    »Genau das ist es!« Ein zufriedenes Lächeln huschte über das spitznäsige Vogelgesicht des Fremden. Unter seinem vorgeschobenen Kinn wölbten sich Fettpolster. Das kurz geschorene, graue Haar ließ den Specknacken wie eine krankhafte Wucherung erscheinen. »Genau aus diesem Grund verlangt man nach Euch. Es dauert nicht lange, Ihr braucht nur die Ärzte vor Ort anzuleiten. Und bringt die Medikamente mit, die Ihr entwickelt habt.«
    »Was denn? Diese Quacksalber anleiten, die sich ihre Mäuler über meine Methoden zerreißen und immer noch bei jedem Furz die Menschen zur Ader lassen?«
    »Sie sind jetzt bereit, auf Euch zu hören! Sie wissen nicht mehr weiter«, beschwor ihn der Fremde mit eindringlicher Stimme.
    Dieser verdammte Neid der Ärzte!, ging es Nostradamus durch den Kopf. Hatten sie ihm nicht sogar unterstellt, er hätte Zauberkräfte, nur weil er sich nicht fürchtete, Pestkranke zu berühren, Aussätzige zu waschen und ihre faulige Luft zu atmen? Wann begriffen sie endlich, dass ein Kranker viel eher überlebte, wenn man ihn peinlich sauber hielt! Und diese berühmten Professoren und Ärzte? Fluchtartig hatten sie die von Pest bedrohten Städte verlassen, während er noch als Medizinstudent zurückblieb und neue Methoden entwickelte, um die Seuche zu bannen, zuerst in Montpellier, dann in Narbonne, Toulouse und Bordeaux…
    Das helle Schlüsselloch wirkte für Marie wie das Eingangstor in eine andere Welt, das aus der Dunkelheit

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