Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman
dritten Stock, stieß mich in unser Zimmer, riss meine Tasche an sich und leerte den gesamten Inhalt auf den Boden. ›Sieht aus, als hättest du deine ganze Habe eingepackt‹, sagte sie. ›Wolltest du eine Reise unternehmen, Liebes?‹
Nichts außer den wenigen Münzen erregte ihr Interesse, schon gar nicht die Sprechenden Bücher, für die sie nur einen verächtlichen Blick übrighatte.
›Nun, deine Reise ist hier zu Ende‹, sagte sie kalt. ›Du wirst bluten müssen, Liebes, heute noch. Ich gehe jetzt und bereite die Anlage vor!‹
Sie verließ den Raum, drehte den Schlüssel im Schloss. Ich war allein. Als hätte es auf mich gewartet, war das Zimmer noch genau so, wie wir es verlassen hatten. Ich versuchte nicht zu denken, dass dieser Raum mein Sterbezimmer werden könnte, konzentrierte mich auf den Plan.
Der Anfang war gemacht, ich war wieder im Turm. Jetzt musste das Buch so platziert werden, dass Clarisse es finden konnte. Jovinda hatte mir geraten, es gut sichtbar auf den Tisch zu legen. Also türmte ich meine mitgebrachten Bücher dort auf, das goldene Buch, das Einzige, auf das es ankam, zuoberst. Doch aus einem plötzlichen Impuls heraus nahm ich es wieder weg, stellte es zu den alten ins Regal und legte eines von dort, auch ein goldenes, auf den Stapel. Kurze Zeit später kam Clarisse zurück.
›Die Anlage ist bereit‹, verkündete sie, packte mich brutal an den Haaren und bog mir den Kopf zurück. ›Doch zuerst wirst du mir verraten, wo dein Bruder ist!‹ Ein krummes Messerchen erschien in ihrer Hand, ein bösartiges, scharfes Ding. Sie setzte es mir an die Kehle und ritzte mir in die Haut, Blutstropfen rannen mir über den Hals.
›Weiß nicht‹, gelang es mir hervorzustoßen. ›Jovinda hat ihn mitgenommen.‹
›Jovinda!‹, schrie sie und stieß mich so heftig von sich, dass ich gegen die Wand fiel und benommen in der Ecke lag. ›Jovinda, die diese erbärmlichen Sprechenden Bücher herstellt? War sie es, die euch von hier entführt hat?‹ Außer sich vor Wut wischte sie die Bücher vom Tisch. Sie fielen zu Boden, öffneten sich und begannen sofort von Räubern und Prinzessinnen, Herzögen und Grafen zu plappern.
›Stallen verrupt!‹ , befahl Clarisse und die Bücher schlossen sich. ›Ah, ich habe es geahnt, ich habe euch in ihrem Haus gespürt, aber ich habe mich von dieser jämmerlichen Fassade täuschen lassen. Wie kann sie es wagen!‹, schrie sie. ›Wie kann sie es wagen, sich mit mir zu messen? Wo hat sie diese Kräfte her? Hilft ihr jemand? Sprich!‹
Ich brach in Tränen aus. ›Ich weiß es nicht. Und ich weiß auch nicht, wo Jovinda jetzt ist. Wir wollten ein anderes Versteck aufsuchen, aber getrennt das Haus verlassen, damit niemand merkt, dass wir ausziehen. Ich sollte Jovinda und Robert auf dem Hauptmarkt treffen, aber sie sind nicht gekommen, ich habe sie nicht gefunden. Sie ist fort und Robert auch.‹ Ich schluchzte bitterlich und wand mich unter ihrem Hexenblick, mit dem sie versuchte, meine Gedanken zu erfassen. Nur wenige Hexen können Gedanken hören. Evchen kann es, Clarisse konnte es nicht. Wie fast alle anderen Menschen auch war sie auf Schlussfolgerungen angewiesen.
›Wird wohl kalte Füße bekommen haben, deine Jovinda‹, bummte sie. ›Hat mich wohl über den Markt schlendern sehen. Nun ja, Liebes‹, schloss sie, ›es ist bitter, wenn man von einer Freundin im Stich gelassen wird. Aber gräm dich nicht allzu sehr, auf diese Weise haben immerhin wir beide uns wiedergefunden. Und nun – Zeit für etwas Gartenarbeit!‹
Wieder packte sie mich am Haar und zog mich aus dem Zimmer, durch die Diele, die Treppen hinunter, all die vielen Treppen bis ins Erdgeschoss. Ich stolperte, doch sie riss mich immer weiter mit, als zöge sie eine Lumpenpuppe hinter sich her, völlig gleichgültig gegen mein Weinen und Wimmern. Selbst draußen vor dem Turm ließ sie mich nicht los. Meine Kopfhaut brannte, als stünde sie in Flammen.
›Sieh dir das an!‹, schrie sie. ›Schau auf meine Felder! Das hast du getan, ausgerechnet du!‹ Sie schluchzte rau. ›Ich habe gedacht, du wärest anders. Ich habe gedacht, du könntest die Schönheit meiner Rosen würdigen! Ha-be-ich-mich-da-rin-ge-täuscht?‹ Im Rhythmus dieser Worte schleuderte sie mich an den Haaren vor und zurück. Selbst der Scherenjunge verließ seinen angestammten Platz am Boden und trat zu uns hin. ›Herrin!‹, bat er demütig.
Verblüfft über so viel Frechheit ließ Clarisse mich los. Ich fiel nach
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