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Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman

Titel: Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette John
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der alte Zausel gegangen war. ›Hätten nicht ein paar kleine, unbedeutende Rosen genügt?‹
    Doch Evchen pflegte ungerührt ihr Fell. ›Wenn man einen großen Fisch fangen will, braucht man einen großen Köder‹, hieß das.
    In den folgenden Tagen sah man eine glückliche Clarisse durch die Straßen der Stadt laufen. Allen, die es wissen wollten, und allen, denen es egal war, erzählte sie die gleiche Geschichte. Dass sie, Clarisse, nach Monaten des Unglücks nun endlich wieder auf der Sonnenseite des Lebens stehe, dass ihre Rosen bald wieder so schön sein würden wie früher, dass alle, die sie verunglimpft und in den Ruin getrieben hätten, bald bitter für ihre Missetaten bezahlen würden. Wer allerdings glaubt, ihre neu erwachte Zuversicht hätte sie ihre Jagd nach Robert und mir vergessen lassen, irrt sich. Das Gegenteil war der Fall. Sie verstärkte ihre Suche. Und sie wurde gefährlicher. An einem Nachmittag stand sie über eine Stunde reglos vor unserem Haus und versuchte, mit ihrem Hexenblick die Mauern zu durchdringen. Es wurde Zeit.
    So stolperte ich an einem Frühlingsmorgen alleine durch die Gassen der Stadt, eine Reisetasche über der Schulter, mit Kleidungsstücken, etwas Geld und ein paar Sprechenden Büchern. Die sahen aus, wie es auch heute noch üblich ist: rot für Romane, silbern für Gesellschaftsklatsch und golden für Geschichten aus dem Königshaus. Jovinda hatte mit Robert die Stadt verlassen, ich wusste nicht, mit welchem Ziel. Was ich nicht wusste, würde Clarisse nicht aus mir herausquetschen können.
    Robert hatte tief geschlafen, als er in den Wagen getragen wurde, betäubt von Jovindas Pülverchen. Er wollte so gerne tapfer sein, mein Bruder, bestand darauf, mit mir zu kommen, obwohl wir Jovindas Schicksalsstäbchen geworfen hatten und sie eindeutig mich allein ausgewählt hatten. Vermutlich würde er ziemlich sauer sein, wenn er erwachte, doch das war mir egal, ich wollte, dass er lebte. Ich war froh gewesen, als die Stäbchen mich gewählt hatten.
    Jetzt war ich mir da nicht mehr so sicher. Eigentlich schlotterte ich vor Angst und versuchte mir einzureden, es liege an der Morgenkälte. Doch wenigstens war ich nicht ganz allein. Evchen folgte mir in gebührendem Abstand. Sie würde eingreifen, wenn die Dinge sich hoffnungslos außer Plan entwickelten. Mit zittrigen Beinen und einem Gefühl wie Eisklumpen im Bauch schob ich mich durch das Getriebe des Hauptmarktes und fragte alle Verkäufer und ihre frühen Kunden, ob sie nicht meine Leute gesehen hätten. Ich hätte sie verloren, schluchzte ich, wir hätten alle zusammen die Stadt verlassen wollen, aber sie seien verschwunden und ich könne sie einfach nicht finden. Manche zuckten gleichmütig die Schultern, manche mitleidig, niemand hatte meine Leute gesehen. Ich fragte weiter, tat ganz furchtbar ängstlich und verloren und musste mich dafür kein bisschen anstrengen.
    Es dauerte nicht lange, da fühlte ich eine Hand wie Stahl auf meiner Schulter. ›Komm mit, Liebes‹, gurrte Clarisse. ›Ich weiß, wo deine Leute sind, ich bringe dich zu ihnen.‹ Sie bannte mich. Ich konnte nicht schreien, nicht weglaufen. Mit einem dümmlichen Grinsen im Gesicht musste ich mich von ihr und ihrer Stahlklaue durch die Gassen zum Wagen schieben lassen, denselben, mit dem wir schon einmal gereist waren. Sie warf mich hinein, verriegelte den Schlag und wir fuhren los. Zurück zum Rosenhaus.«
    »Zurück zum Rosenhaus«, raunten die Rattenkinder.
    »Es ist eine Sache, einen tapferen Plan auszuhecken, es ist eine ganz andere, ihn durchzustehen. Clarisse hing auf dem Kutschbock und prügelte auf die armen Pferde ein, es konnte ihr nicht schnell genug gehen. In der Kutsche wurde ich von einer Ecke in die andere geschleudert, doch ich spürte kaum etwas, war vor Angst halb ohnmächtig. Wenn ich etwas fühlte, dann nur Clarisses wilden Triumph. Sie hatte eines der verhassten Kinder wieder, sie würde auch das andere finden und mit ihm die frechen Helfer und Helfershelfer, die sie so lange an der Nase herumgeführt hatten.
    Wir erreichten das Rosenhaus. Das wenige, was ich aus dem Kutschenfenster erkennen konnte, war erbärmlich. Verfaulte Rosen allüberall, ein leichter Geruch nach Verwesung über den Feldern. Clarisse jagte den Wagen den Hügel hinauf zum Turm. Als sie mich an den Haaren herauszog, sah ich aus den Augenwinkeln den Scherenjungen über den Rasen kriechen. Er war also wieder eingefangen worden.
    Sie trieb mich die Treppe hinauf in den

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