Das Geheimnis des Templers - Episode V: Tödlicher Verrat (German Edition)
zu bedenken, „ob Gott wirklich gutheißt, was wir hier tun. Oder ob er uns nicht längst verflucht für all das Blut, das wir vergießen. Nicht nur als Christen, sondern auch bei den Heiden.“
Struan ersparte sich einen Kommentar. Wer würde ihnen je bestätigen können, ob der Tod all dieser tapferen Männer tatsächlich etwas bewirkte? Bisher waren ihre Einsätze gegen die Mameluken nur Nadelstiche gewesen, die sie den Heiden unter hohen eigenen Verlusten hatten zufügen können. Dass im Auftrag des Herrn nicht nur männliche Gegner, sondern auch deren unschuldige Frauen und Kinder mitunter ihr Leben gelassen hatten, wurde dabei gerne verschwiegen. Die Rückeroberung des Heiligen Landes erschien Gero unterdessen weiter entfernt als je zuvor. Hatte er zu Beginn noch gedacht, es wäre leicht, Jerusalem von den Heiden zu erlösen, so wusste er inzwischen, dass der Kampf darum lediglich die sicherste Art für einen Templer war, den Tod zu finden. Wobei er selbst bisher merkwürdigerweise verschont geblieben war. Und dabei ersehnte er sich nichts mehr, als endlich mit seiner Lissy im Paradies vereint zu sein.
Hugo d’Empures kündigte unterdessen lautstark von Land her die Ankunft des Schiffskommandanten an. In seinem Gefolge rückten zwanzig Turkopolen an. Syrische Bogenschützen in braunschwarzer Kleidung, die auf ihren pfeilschnellen Araberpferden die größte Bedrohung für die Heiden darstellten. Während Kommandant Henri d’Arches an Bord ging, brachten die Männer mit den auffälligen Helmturbanen ihre schnaubenden Tiere unter Deck. Eine Weile später standen sie mit den zwanzig weißgewandeten Templern und hundert Ruderern stramm und grüßten mit einem „Gott sei mit Euch, Seigneur“ den Kommandanten auf See. D’Arches trug wie die anderen Ritter einen weißen Mantel mit einem roten Kreuz darauf. Nur die weiße, breitkrempige Kappe mit der goldfarbenen Kordel wies auf sein besonderes Amt als Befehlshaber dieses Schiffes hin.
„Rühren!“, rief der weißbärtige Bretone mit einer sonoren Stimme, die seinen breiten Brustkorb zu sprengen drohte.
Die Sonne versank am Horizont als rotglühender Ball im tiefblauen Meer, als die Galeere sich wenig später unter kräftigen Ruderschlägen in Bewegung setzte und mit einer erstaunlichen Geschwindigkeit den befestigten Hafen verließ, von wo aus sie Kurs nach Osten nahm.
Von einem Mast am Bug des Schiffes hielten Späher Ausschau nach feindlichen Schiffen. Dort und an den Seiten des Schiffskörpers hatte man mächtige Geschütze installiert, die ähnlich wie eine gewaltige Armbrust Steingeschosse und Lanzen abschießen konnten, die mit Teerstreifen umwickelt und angezündet beim Gegner erheblichen Schaden anrichteten. Natürlich war die Gegenseite nicht unbedingt schlechter ausgerüstet, was eine gewisse Wachsamkeit erforderte.
Falls man sich unerwartet mit den Schiffen der Gegner konfrontiert sah, kam es darauf an, als Erster zu feuern. Was nicht nur Schnelligkeit, sondern auch Zielsicherheit erforderte. Und Gottes Segen. Sicher ein Grund, warum sich alle kämpfenden Brüder, kaum dass sie Kurs aufs offene Meer genommen hatten, vor ihrem Kommandanten am Heck des Schiffes niederknieten und mit einem gemeinsamen Ave-Maria für eine heile Rückkehr die Unterstützung der Heiligen Jungfrau erflehten.
Auch Gero hielt sein Haupt geneigt und konzentrierte sich auf das Bildnis einer huldvoll dreinblickenden Muttergottes in blauem Mantel. Allerdings mischte sich in dieses Bildnis immer wieder das Antlitz von Lissy, weil sie mit ihrem langen rötlich braunen Haar und den sanften Augen der Heiligen Jungfrau so ähnlich gewesen war.
„Bitte Gott den Herrn“, betete er stumm, „er möge mich diesmal mit meiner verstorbenen Frau im Paradies vereinen“, flehte er still für sich und fragte sich zugleich, ob es eine Sünde war, auf diese Weise den Tod herbeizusehnen. Schließlich hatte er sich vor dem Allmächtigen den Templern verpflichtet, und dem stand der Wunsch zu sterben eindeutig entgegen. Also warum sollte der liebe Gott ihn ausgerechnet heute Nacht erhören?
Neben ihm knieten Brian und Nicolas, die Gottvater bisher anscheinend auch nicht bei sich haben wollte. Was zumindest bei Nicolas einem Wunder gleichkam, denn kaum jemand stellte sich so unglaublich dumm im Kampf an wie der genuesische Templerbruder. Er konnte kaum ein Schwert halten, was möglicherweise seiner zarten Gestalt geschuldet war. Aber in Geros Augen war es eher eine Sache der Einstellung.
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