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Das Geheimnis meiner Mutter

Das Geheimnis meiner Mutter

Titel: Das Geheimnis meiner Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Wiggs
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anschaute. Er war ein großer, auf eine etwas kantige Art gut aussehender Mann, der, wie Jenny wusste, selber eine schwierige Kindheit gehabt hatte. Dennoch schien er sich sowohl mit Olivia als auch in seiner eigenen Haut sehr wohl zu fühlen. „Mach dir keine Sorgen“, sagte er, als wenn er ihre Gedanken gelesen hätte. „Mit der Zeit gewöhnt man sich daran.“
    „Unser Geschenk zum Einzug“, sagte Olivia zu Greg und reichte ihm eine Tüte.
    „Das ist das dritte Mal, seitdem wir hier eingezogen sind“, protestierte Greg. „Das muss irgendwann auch mal wieder aufhören.“
    „Das hört erst auf, wenn die letzte Umzugskiste verschwunden ist“, erwiderte Olivia mit einem leichten Lachen. „Noch sieht es hier eher aus wie in einem Umzugswagen.“
    Jenny hatte keine Mühe, Olivias andere Beiträge zu diesem Haushalt auszumachen. Da lag eine warme moosfarbene Kaschmirdecke mit Fransen über einer Sessellehne. Daneben ein Kissen mit reicher Verzierung. Beide Teile trugen eindeutig den Stempel von Olivias ausgezeichnetem Geschmack. Ihr heutiges Geschenk war eine kleine Leselampe mit einem Schirm aus Bleikristall. Ganz offensichtlich sollte sie aus dem schlichten braunen Ohrensessel und dem kleinen Beistelltisch daneben eine Leseecke zaubern.
    „Ich muss zugeben, dass du wirklich gut bist“, sagte Greg. „Du solltest daraus ein Geschäft machen.“
    „Gute Idee.“ Olivia übergab ihren Mantel und Schal an Max, der beides an die Garderobe hängte.
    Natürlich zogen sie und Greg sich nur gegenseitig auf, denn Häuser zu verschönern war genau das, womit Olivia ihren Lebensunterhalt verdiente. Sie war das, was sie eine „Aufhübscherin“ nannte, und hatte sich darauf spezialisiert, Häuser und Wohnungen herzurichten, die zum Verkauf standen. Sie war so gut darin, auszumisten und Möbel neu zusammenzustellen, dass sie für ebendiesen Zweck in Manhattan ihre Firma Transformations gegründet hatte.
    Der derzeitige Einrichtungsstil von Gregs Haus – wenn man ihn denn so nennen durfte – war frühe Studentenbude. Anstelle eines Esstischs stand mitten im Raum ein massiver Billardtisch, der mit einer Sperrholzplatte abgedeckt war. Die Deckenlampe hatte einen Plastikschirm mit Budweiser-Werbung darauf. An der Wand hing eine Dartscheibe und im Kamin stand ein elektrischer Grill.
    „Um Würstchen zu grillen“, erklärte Greg.
    „Und Marshmallows“, fiel Max ein. „Wir nennen das Drinnen-Camping.“
    Jenny wusste nicht, was sich in dem Haus mehr durchsetzte – das Studenten- oder das Campingthema. Anstelle von normalen Betten hatten sie daunengefüllte Schlafsäcke auf nackten Matratzen.
    „Ich werde dich so was von zum Bettwäschekaufen mitschleifen“, murmelte Olivia Daisy zu, als sie die oberen Räume inspizierten. Jenny hatte den Überblick über die Anzahl der Schlafzimmer, Badezimmer und Einbauschränke schon längst verloren. Die meisten waren leer und ungeheizt, die Türen geschlossen.
    „Danke!“, seufzte Daisy. „Mein Dad hat ein paar Sachen vergessen. Aber es ist okay, quasi noch mal ganz von vorne anzufangen.“
    „Wir haben hier mehr als genug Platz, Jenny. Wenn du willst, kannst du jederzeit zu uns ziehen“, bot Greg ihr an. „Du kannst so lange bleiben, wie du magst.“
    Eine warme Welle der Dankbarkeit erfasste sie. Das war es, was Familienmitglieder füreinander taten. Sie rückten enger zusammen und halfen einander aus. Doch sie traute der Sache noch nicht ganz. Ohne eine gemeinsame Vergangenheit war es schwer, das Konzept Familie zu begreifen.
    „Das ist wahnsinnig nett von dir“, sagte sie. Greg war zwar per Geburt ihr Onkel, aber sie waren immer noch Fremde füreinander. Zudem war er frisch geschieden, und seine Frau war Anwältin. Das konnte eigentlich nur Probleme geben, fürchtete sie. „Aber im Moment bin ich noch gut versorgt.“
    „Das stimmt“, schaltete Olivia sich ein. „Wer könnte sich besser um einen kümmern als der Chef der Polizei?“
    Jenny errötete sofort. „Das ist doch nur vorübergehend, nicht für immer.“
    „Das wissen wir“, sagte Olivia.
    Jenny war überrascht, als mit einem Mal Laura Tuttle auftauchte. Offensichtlich hatte Philip sie eingeladen. „Ich habe einen Kuchen mitgebracht“, sagte Laura und ging gleich durch in die Küche. Und einfach so machten sich alle daran, den Tisch zu decken und das Abendbrot aufzutragen. Für Jenny war es fremd und gleichzeitig wunderschön, mal wieder den Rhythmus eines normalen Familienlebens zu spüren. Es gab

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