Cafe con Leche
Aufbruch
Nach vielen Hürden,
die es zu bewältigen gab, ist es endlich soweit. Christine, meine 19jährige
Tochter, die mit mir den Camino Francés pilgert, hat einen supergünstigen Flug
für uns beide nach Biarritz gebucht. Heute brechen wir auf, um unseren Camino
zu starten.
Die Sonne ist schon
früh aufgewacht und lacht uns an. Aufgeregt wie eine Hühnerschar laufen wir
durch unsere Wohnung. Unser Gepäck steht bereit. Dann hören wir auch schon die
Autohupe. Tut, tut, Josef, der uns abholt, ist da. Josef, der Vater meiner drei
Töchter, fährt uns heute nach Eschborn, das in der Nähe von Frankfurt liegt.
Dort wohnt Walter, mein Bruder. So verbringen wir den heutigen Tag bei ihm und
können morgen in aller Ruhe mit der S-Bahn zum Frankfurter Hauptbahnhof fahren.
Von dort geht es weiter mit dem Shuttlebus zu dem kleinen Flughafen nach
Frankfurt/Hahn. Gegen elf Uhr startet dann unser Flieger nach Biarritz.
Josef parkt den Wagen
vor unserer Haustür. Wir nehmen die Rucksäcke und verstauen sie im Kofferraum.
Es kann los gehen! Ich sitze im Auto und werde von einer Benzinduftwolke eingehüllt.
„Das riecht hier aber
arg nach Benzin!”, sage ich zu Josef.
„Hab ich auch schon
gerochen”, kommt seine karge Antwort zurück. Er steigt aus und öffnet die
Motorhaube. Neugierig, wie ich bin, folge ich ihm.
„Kerl noch mal! Da hab
ich doch beim Ölauffüllen den Öldeckel in der Scheune liegen lassen! Deshalb
stinkt das hier so!”, sagt er verärgert.
Mich wundert der
fehlende Öldeckel nicht. Josef hat schon so manche Sache vergessen! Wie oft
mussten wir schon die Kühe oder Bullen im Stall in ihre Boxen zurücktreiben,
weil er vergessen hatte, das Gittertor zu schließen.
Nun ja, jetzt fehlt
halt eben mal der Öldeckel!
„Günther!”, rufe ich
meinem Nachbarn zu, der draußen vor seiner Werkstatt steht. „Hast du einen
Öldeckel für uns?”
Günther
hat eine Autowerkstatt. Schon oft hat er nach meinem Wagen geschaut. Mal füllt
er Öl nach, ein andermal schaut er nach dem Auspuff, der des Öfteren knattert.
Dann muss mal wieder der Keilriemen, der so extrem kreischt, nachgezogen
werden. (Mögen mir jetzt alle Automechaniker verzeihen!)
„Nachbarschaftshilfe”,
sagt Günther kurz, wenn ich dann bezahlen will. Dann drücke ich ihn und er
kriegt ein dickes Bussel auf die Wange. Wenn mich jemand fragt: Was ist für
dich Glück ?, so würde ich ihm antworten: einen
Menschen zu kennen, der dein Auto checkt und dich vor hohen Reparaturkosten
rettet, weil er dich gerne hat.
So
hat Günther, wie immer, auch heute ein großes Herz für mich und schon hält er
einen Öldeckel in der Hand.
„Na!
Dann ist der Tag ja gerettet!”, sage ich zu ihm, nehme den Öldeckel und gebe
ihm ein dickes Bussel auf die Wange. Rita, seine Frau guckt von oben aus dem
Fenster und verfolgt das Spektakel.
„Typisch
Josef!”, rufe ich zu ihr hoch. „Fährt ohne Öldeckel! Gut, dass Günther einen
Passenden gefunden hat. Dann kann es ja jetzt losgehen! Nochmals vielen Dank!
Wir schreiben euch aus Spanien”, rufe ich auch Günther zu und steige ins Auto.
Die
Sonne lacht und es ist zum Autofahren fast schon zu heiß. Ich kurbel das
Fenster herunter.
„Dann
mal auf nach Eschborn!”, sage ich, als Josef den Wagen endlich starten kann.
Theresa, meine Jüngste, begleitet uns. Sie bleibt während der Sommerferien auf
dem Hof ihres Vaters.
Wir
winken Rita und Günther zu, rufen nochmals ein gemeinsames Tschüss und dann
sind wir weg.
25. Juni 2008
Abflug
Der Wecker klingelt.
Es ist fünf Uhr morgens. Endlich ist der Tag da, an dem unser Unternehmen
„Pilgern“ startet. Der gestrige Tag bei Walter war recht ruhig. Das Einzige,
was ich gemacht habe, war seine Junggesellenbude ein bisschen auf Vordermann zu
bringen. So stehen wir nun in aller Frühe auf, denn die S-Bahn fährt um sechs
Uhr zum Frankfurter Hauptbahnhof. Walter begleitet uns. Er hat sich meinen
Rucksack auf den Rücken geschnallt. Jetzt geht es los! Ich bin total aufgeregt!
Die Sonne lacht vom Himmel und wärmt mich. Am Hauptbahnhof angekommen, warten
schon zwei Busse auf die Fluggäste, die von Frankfurt/Hahn nach Biarritz
fliegen. Küssetausch und Umarmungen am Bus. Die Tür schließt; winke, winke.
Dann geht es zum Flughafen. Wir sitzen im Bus ganz vorne und haben einen tollen
Ausblick auf den Taunus. Ich bin froh gestimmt! Das unangenehme Grummeln in
meinem Bauch und die Angst vor dem Fliegen, die mich sonst vor jedem
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