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Das Geisterhaus

Das Geisterhaus

Titel: Das Geisterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Mittel den Himmel verdienen, und noch weniger,
daß man dadurch auf die Erde zurückkehren könne. Messen und
Gelübde, wie auch der Ablaß und der Handel mit
Heiligenbildchen und Skapulieren, seien ein unehrliches
Geschäft, behauptete er, so daß Nivea und die Nana alle Kinder
neun Tage lang den Rosenkranz heimlich beten ließen.
-
Inzwischen suchten Gruppen freiwilliger Andinisten Gipfel und
Schluchten der Kordilleren nach ihm ab, begingen ein um den
ändern alle begehbaren Pfade, bis sie endlich triumphierend
zurückkamen und der Familie die sterblichen Überreste in einem
bescheidenen versiegelten Sarg übergaben. In einer grandiosen
Trauerfeier wurde der kühne Flieger zu Grabe getragen. Durch
seinen Tod war er zum Heros geworden, und tagelang stand sein
Name in den Schlagzeilen der Zeitungen. Die gleiche Menge,
die zusammengelaufen war an dem Tag, da der Voge l sich in die
Lüfte erhob, zog nun an seinem Sarg vorüber. Die ganze Familie
del Valle beweinte ihn, wie er es verdiente, ausgenommen
Clara, die weiterhin mit Astronomengeduld forschend in den
Himmel blickte. Eine Woche nach der Beerdigung stand Onkel
Marcos leibhaftig, ein lustiges Lächeln unter seinem
Seeräuberschnauzbart, auf der Schwelle des Hauses. Er selbst
räumte ein, daß er nur dank der heimlichen Rosenkränze der
Frauen und der Kinder am Leben und im Besitz aller seiner
Fähigkeiten sei, einschließlich der guten Laune. Trotz des
erhabenen Ursprungs seiner aeronautischen Karten war der Flug
mißlungen. Das Flugzeug war zu Bruch gegangen, und er selbst
hatte zu Fuß zurückgehen müssen, aber alle seine Knochen
waren heil und sein Abenteuergeist ungebrochen. Das festigte
die Verehrung des heiligen Antonius in der Familie und wurde
selbst späteren Generationen, die ihrerseits mit diversen Mitteln
zu fliegen versuchten, nicht zum Gespött. Vor dem Gesetz
allerdings war Marcos ein Toter. Severo del Valle mußte alle
seine juristischen Kenntnisse aufbieten, um seinem Schwager
das Leben und den Stand eines Staatsbürgers zurückzuholen.
Als der Sarg von den zuständigen Amtspersonen geöffnet
wurde, zeigte sich, daß ein Sack Sand darin beerdigt worden
war. Das befleckte den bis dahin makellosen Ruf der
freiwilligen Andinisten, die seit jenem Tag für kaum mehr als
Gauner galten.
    Marcos’ heroische Auferstehung brachte die Geschichte mit
der Drehorgel bei jedermann in Vergessenheit. Er wurde
abermals in sämtliche Salons der Stadt eingeladen, sein Name
stand hoch im Kurs, wenigstens eine Zeitlang. Marcos
verbrachte noch ein paar Monate im Haus seiner Schwester.
Eines Nachts verließ er es, ohne sich von irgend jemandem zu
verabschieden und unter Zurücklassung seiner Koffer, Bücher,
Stiefel und allen übrigen Krams. Severo und Nivea atmeten auf,
sein letzter Besuch hatte zu lange gedauert. Aber Clara nahm es
sich so zu Herzen, daß sie eine Woche lang daumenlutschend
wie eine Schlafwandlerin herumging. Das Kind, damals
siebenjährig, hatte in den Geschichtenbüchern des Onkels
Marcos lesen gelernt und stand ihm aufgrund seiner
hellseherischen Fähigkeiten näher als jedes andere
Familienmitglied. Marcos behauptete, die seltene Kraft seiner
Nichte könnte zu einer Einnahmequelle werden und böte
überdies eine gute Gelegenheit, die eigene Sehergabe
weiterzuentwickeln. Seiner Theorie nach war die Anlage dazu in
allen Menschen vorhanden, ganz besonders in seiner Familie,
und wenn sie sich nicht wirksamer äußere, sei das nur auf
mangelndes Training zurückzuführen. Auf dem Persischen
Markt kaufte er eine Glaskugel, von der er behauptete, sie
stamme aus dem Orient und besitze magische Kräfte, aber später
kam heraus, daß es nur der Schwimmer eines Fischerbootes war.
Er stellte sie auf ein Stück schwarzen Samt und kündigte an, er
werde das Schicksal voraussagen, vom bösen Blick heilen, in
der Vergangenheit lesen und die Qualität der Träume
verbessern, alles zusammen für fünf Centavos. Seine ersten
Kunden waren Dienstmädchen aus der Nachbarschaft. Eine von
ihnen war beschuldigt worden, gestohlen zu haben, weil ihre
Herrin einen Ring verloren hatte. Die Glaskugel zeigte den Ort
an, wo er sich befand: er war unter einen Kleiderschrank gerollt.
Am nächsten Tag standen die Leute vor der Haustür Schlange.
Die Kutscher, die Händler, die Milch- und die Wasserträger
kamen, später erschienen diskret einige Angestellte der
Stadtverwaltung und ein paar vornehme Damen, die sich
vorsichtig an der

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